Die alte Villa (German Edition)
Zuhause war eine Umgebung ohne jede Farbigkeit. Alles war nur Grau und glanzlos. Im völligen Gegensatz zu der Welt außerhalb des Kinderheims, von der sie fast nichts wusste, aber so viel ahnte, von der sie träumte und sich ausmalte, wie glücklich man dort sein könnte. Diese Welt hatte so viele Farben, dass ihr bei dem Anblick meist ganz schwindlig wurde. Zusätzlich übermannte sie dann eine so große Verzweiflung, weil sie doch niemals dazu gehören würde.
In jedem Frühling von neuem brannte diese Sehnsucht in ihr, einfach wegzurennen aus dem verhassten Heim, aus ihrer Heimat, ihrem Zuhause.
Dann würde sie endlich frei sein und weit weg von jeder Bevormundung durch die Nonnen. Weit weg auch von sinnlosen Bestrafungen für noch so kleine Vergehen, von endlosen Aufenthalten in ‚Besinnungszimmern’, Räumen ganz ohne Fenster, in denen man bei Wasser und Brot tagelang verharren musste und noch weiter weg von jeder Willkür und grundloser Gewalt.
Sie fand Maria immer noch beim Schuster in ein Gespräch mit einer alten Frau aus dem Dorf vertieft. Warum konnte die freundliche alte Dame sie und Maria nicht einfach mit zu sich nach Hause nehmen? Nach wenigen Minuten machten sie sich gemeinsam auf den Weg zurück ins Heim.
Einige Tage später kamen Männer mit einem offenen Wagen in den Hof des Kinderheims gefahren. Sie hatten einen riesigen Tannenbaum mitgebracht, den sie im Innenhof des Heims aufstellen wollten. Die Nonnen hatten den Kindern erlaubt, in den Hof zu gehen, um den Männern aus einer gewissen Entfernung dabei zuzusehen.
Als Greta Jeremy unter den Männern ausmachte, stellte sie sich schnell vor alle anderen Kinder in die erste Reihe, um haargenau jede von Jeremys Bewegungen sehen zu können.
Es war ein bitterkalter Tag, aber das kümmerte Greta wenig. Wenn sie nur so nah wie möglich bei Jeremy sein konnte..
Als die Männer fertig waren und die große Tanne kerzengerade in der Mitte des Hofes stand, kam Jeremy auf die Kinder zu. Er hatte Greta wiedererkannt und sprach sie erneut an, genau so freundlich wie in der Bäckerei.
‚Servus Greta, wie schauts’ aus, möchtest du im Frühjahr ein wenig helfen bei uns auf dem Hof?“
Greta wollte es zuerst nicht glauben, aber er hatte schon mit den Schwestern des Heimes darüber gesprochen und alles schien eine abgemachte Sache zu sein.
Von da an zählte Greta die Tage bis zum Frühlingsanfang.
Doch richtig warm war es um diese Zeit noch nicht und so dauerte es noch einmal einige Wochen, bis endlich an einem Tag im Mai, Jeremy mit einem Auto in den Hof des Kinderheimes gefahren kam, um sie abzuholen.
Genau, wie er es bereits erzählt hatte, schien er tatsächlich alles mit den Schwestern abgesprochen zu haben, denn schon am Abend zuvor wurde ihr der Besuch von Jeremy von Schwester Anneliese angekündigt.
Gemeinsam mit der Schwester hatte Greta eine kleine Tasche mit ein paar wenigen Utensilien eingepackt, die sie für ihren Tag auf dem Bauernhof vielleicht brauchen würde: Ein Taschentuch, ein Kamm und eine dünne Jacke..
Die Nonnen winkten, als sie mit Jeremy in seinem offenen Wagen aus dem Hof hinaus fuhr. Am Abend brachte Jeremy sie wieder ins Heim zurück.
Und Greta hatte einen wundervollen Tag auf dem Bauernhof der Familie Schwabig verbracht, von dem sie glaubte, dass es der schönste in ihrem ganzen bisherigen Leben gewesen sein musste.
Sie hatte auf dem Hof der Schwabigs geholfen, so gut sie nur konnte. Sogar zum Melken der Kühe hatte man sie eingeteilt. Jeremy hatte ihr gezeigt, wie man es machte.
Sie hatte sich äußerst geschickt dabei angestellt und die Milch floss auf Anhieb in den kleinen Eimer.
Dafür wurde sie sehr gelobt und Jeremy erzählte es stolz seinem Vater, einem alten grauhaarigen und für sein Alter noch sehr kräftigen Bauer. Die Bäuerin war eine ebenso kräftige Frau mit rosigem Gesicht.
Am Abend aß Greta mit der ganzen Familie, bestehend aus den Eltern und Jeremy, gemeinsam zu Abend. Sie saßen alle um einen riesigen Holztisch herum. Im Esszimmer gab es sogar einen Kamin, in dem aber kein Feuer brannte, da inzwischen herrlich warmes Frühlingswetter herrschte. Bei der Arbeit brauchte man keine Jacke und keinen Pullover mehr und überall sah man nur gut gelaunte Menschen.
Es gab herrlich frisches herzhaftes Brot mit Schinken und Käse. Frau Schwabig kochte extra für Greta wundervoll süßen und heißen Kakao. Sie meinte, Greta wäre ja viel zu dünn und zu klein für ihr Alter und sie sollte doch
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