Die alte Villa (German Edition)
„Ich denke, die haben mit dir nichts Gutes vor. Ich habe gehört, es gibt eine Menge Knechte auf dem Bauernhof der Familie Schwabig. .. Unsaubere, stinkende Kreaturen sind das und weißt du, was die mit dir vorhaben?“
Sie beugte sich nach vorne über den Schreibtisch, hinter dem sie die ganze Zeit gestanden hatte und ihre hervorstehenden Augen starrten Greta bedrohlich an.
„Die wollen dich besteigen und ihre Lüsternheit an dir befriedigen, Greta! Lass dir von mir sagen, es gibt nichts Widerlicheres. Ich habe es selber erlebt, Greta. Es war furchtbar!“
Das spitze und sonst so bleiche Gesicht der Schwester hatte sich ein wenig gerötet. Greta hatte nur selten in ein hässlicheres Gesicht gesehen als in das von Schwester Gabriela. Ihre Nase war spitz und lang, die Zähne gelb und die hohen Wangenknochen stachen wie Fleischhaken aus ihrem mageren Gesicht heraus.
Greta fing an zu zittern. Am liebsten wäre sie aufgestanden und weggelaufen, aber damit hätte sie die Schwester sicher verärgert und vielleicht würde man ihr dann verbieten, noch einmal auf den Bauernhof zu gehen. Also blieb sie sitzen und wartete.
Schwester Gabriela schwieg einen Augenblick, als ob sie nach Worten suchte, dann fuhr sie leise flüsternd fort:
„Wenn du glaubst, du magst jemanden und fühlst dich dabei wie im Himmel, so ist das eine ganz gefährliche Täuschung. Denn hier hat der Teufel seine Finger im Spiel. Er verwandelt die Mädchen, indem er sie zu Frauen macht, die bei den Männern Begierden auslösen, ja, ganz widerwärtige Begierden und später sind sie es, die ihr Leben lang dafür büßen müssen. Und selbst nach ihrem Tode müssen sie noch büßen, wenn sie im ewigen Fegefeuer brennen.“
Greta graute bei ihren Worten. Sie versuchte, sich das Ganze vorzustellen, aber sie hatte keine Ahnung, was genau ihr die Schwester erklären wollte. Es musste etwas Furchtbares sein, und Greta wollte diese Dinge niemals erleben.
„Greta, versprich mir, dass du niemals in deinem ganzen Leben einen Mann anrührst und dich von allen Männern fern hältst! - Du musst es mir versprechen, hörst du?“
Die Schwester schaute sie mit flehendem Blick an und Greta wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als zuzustimmen.
„Ja“, sagte sie deshalb. „Ich verspreche es.“
Am übernächsten Morgen kam Jeremy, um sie abzuholen. Sein Auto hielt auf dem Hof und Greta hatte dort bereits auf ihn gewartet. Ihre Freude war durch das seltsame Gespräch mit Schwester Gabriela etwas gedämpft gewesen, aber sobald sie Jeremy sah, war alles, was die Schwester ihr erzählt hatte, vergessen. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie zu Jeremy in den Wagen stieg.
„Grüß ’ Gott Greta“
„Grüß ’ Gott“
„Wir haben herrliches Wetter heute.“
„Werden wir wieder die Kühe melken?“
„Natürlich, die Kühe haben dich schon vermisst“, sagte er lachend und Greta beantwortete sein Lachen mit einem zurückhaltenden Lächeln.
Es war tatsächlich ein wunderschöner Tag Ende Mai und schon so warm wie im Sommer. Hier in der Gegend war es normalerweise um diese Zeit noch kühl und sogar Fröste gab es noch häufig. Doch in diesem Frühling des Jahres 1956 spielte das Wetter anscheinend verrückt. Seit einer Woche schon war es viel zu warm für die Jahreszeit und wohin man auch blickte, blühte und grünte es und die Menschen waren gut gelaunt.
Die Bauersleute begrüßten Greta herzlich und diese blickte sich ängstlich nach allen Seiten um, ob auch keiner der Knechte zu sehen war. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie nur den Franz kennen gelernt, aber der war uralt und sehr freundlich gewesen. Sie hatte sich nach dem Gespräch mit Schwester Gabriela gefragt, ob das wohl auch auf ihn zutraf, was ihr die Schwester über die Knechte erzählt hatte? Sie würde sich auf jeden Fall vorsehen müssen.
Heute zeigte ihr Jeremy den ganzen Hof und sie fuhren gemeinsam in seinem offenen Jeep auch auf die Felder hinaus.
Jeremy erzählte ihr, dass seine beiden älteren Brüder im Krieg gefallen waren und so hätten seine Eltern nur noch ihn. Er würde später den Hof übernehmen, wenn seine Eltern zu alt geworden wären.
Greta hing die ganze Zeit wie hypnotisiert an seinen Lippen, während er zu ihr sprach. Er hatte sich die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt und sie betrachtete bewundernd seine muskulösen Unterarme. Auch seine kräftigen Hände gefielen ihr und sie wünschte sich nichts sehnlicher als einen Bruder wie Jeremy zu haben.
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