Die alte Villa (German Edition)
Dann würden sie für immer zusammen gehören. Sie fuhren über einen holperigen Feldweg und nun gab es für Greta keine Zurückhaltung mehr. Sie lachten beide aus vollem Halse, weil sie auf ihren Sitzen auf und ab hüpften. Gretas blonde Locken tanzten auf ihren Schultern. Sie trug heute ihr bestes Kleid. Genaugenommen war es auch ihr einziges, denn das andere, welches sie besaß, war ihr viel zu kurz geworden. Sie war im letzten Jahr unheimlich in die Höhe geschossen, wenngleich sie immer noch relativ klein und zierlich im Vergleich zu den anderen Mädchen ihres Alters war. Ihre Haut war schneeweiß und sie genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Erstaunt war sie darüber, wie groß und weit das Land war, welches zum Bauernhof der Schwabigs gehörte.
Am Abend brachte Jeremy sie wieder ins Kinderheim zurück, aber schon wenige Tage später sah Greta sein Auto erneut auf den Hof vorfahren.
Sie fragte gar nicht erst um Erlaubnis, sondern rannte sogleich den Gang hinunter, der zum Eingang des Heimes führte, so dass sie ihn abfangen konnte, nachdem er in die Eingangshalle des Heims eingetreten war. Dass sie dabei riskierte, einen ganzen langen Tag in ein Besinnungszimmer eingesperrt zu werden, falls eine schlecht gelaunte Schwester sie bei ihrem ungehörigen Benehmen ertappte, nahm sie dabei leichtfertig in Kauf.
Als Jeremy sie erblickte, kam er auf sie zu und schaute sie freudestrahlend an.
„Greta!“ , rief er ihr schon von weitem zu. Er schien ganz aufgeregt zu sein.
„Ich möchte gleich mit der Heimleiterin sprechen und am besten, ich rede vorher mit dir.“
Greta s Herz pochte so heftig vor Aufregung, weil sie glaubte, nein, sie wusste, dass irgendetwas passieren würde, etwas Wunderbares, und völlig Unfassbares.
Er nahm ihre Hände in seine.
„Greta, meine Eltern möchten dich gerne adoptieren.“
Was sagte er? Greta glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen, dann spürte sie, dass ihre Knie ganz weich wurden. Sie würde hinfallen, weil ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten, aber da hatte Jeremy sie schon an sich gerissen und seine starken Arme hielten sie fest.
„Möchtest du bei uns auf dem Hof leben?“
Greta wollte etwas sagen, aber ihre Stimme versagte ihren Dienst und mit aller Kraft stammelte sie ein fast lautloses „Ja“
„Dann werde ich alles regeln und ich hoffe, dass du schon bald mitkommen kannst. Warte hier, ich muss jetzt zur Heimleiterin.“
Er ließ sie dort stehen und stürmte davon.
Hinter ihrem Rücken hörte sie eine ärgerliche Stimme ihren Namen rufen.
~
Greta wurde von der ganzen Familie Schwabig wie eine liebe Tochter aufgenommen und sie blühte unter der ungewohnten Fürsorge regelrecht auf. Nie hätte sie geglaubt, dass man sich so wohl fühlen konnte. Sie hatte eine Familie gefunden, was für sie der wertvollste Schatz war, den es auf Erden gab, das höchste und wichtigste Gut. Jeremy war wirklich der allerbeste Bruder, den man sich wünschen konnte.
Das Jahr ging wie im Fluge vorbei und Greta erwies sich als eine wirklich tüchtige Bauerstochter. Keine Arbeit war ihr zu schwer oder zu schmutzig.
Jeremy brachte ihr das Reiten bei und fast an jedem Sonntag ritten sie gemeinsam aus. In solchen Momenten glaubte Greta, der glücklichste Mensch auf Erden zu sein und jeden Abend dankte sie Gott in langen, ausführlichen Gebeten für ihr schönes neues Leben.
Ein neues Jahr begann und mit ihm schienen die Erinnerungen an die langen Jahre, welche Greta im Kinderheim zugebracht hatte, in immer weitere Ferne zu rücken. Die tiefen Wunden einer menschenunwürdigen Behandlung schickten sich an, in ein erstes Stadium der Heilung überzugehen.
Manchmal sah sie die Heimkinder unten im Dorf, wenn sie mit ihrer Adoptivmutter Besorgungen machte, doch schaute sie dann schnell weg.
Sie war jetzt Greta Schwabig, die Tochter des größten und überaus angesehenen Bauern dieser Gegend und nur das zählte. Mit Jeremy verband sie eine innige Geschwisterbeziehung und sogar den alten Franz schloss sie in ihr Herz. Er war kein bisschen gefährlich und behandelte sie wie eine Prinzessin. Manchmal nannte er sie sogar so. Darüber musste sie immer lachen.
An ihrem 14. Geburtstag bekam sie von ihren Adoptiveltern ein eigenes Pferd geschenkt. Es war ein wundervoller Schimmel, den sie Sturmwind nannte. Greta liebte Pferde über alles, wie sie überhaupt alle Tiere liebte, die entweder auf dem Bauernhof lebten oder in der herrlichen Landschaft,
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