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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hedwig Appelt
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Geschwindigkeit, den blitzartigen Wechsel zwischen Flucht und Angriff setzen.
    Hoffend und bittend wandten sich die Kontrahenten an ihre Götter. Die Amazonen schlachteten ihre weißen Pferde für Ares. Die Griechen flehten zu Phobos, dem Gott des Schreckens. Niemand sprach aus, welches Opfer ihm zugedacht war, aber es hieß, Phobos habe Hippolyte aus Theseus eigener Hand verlangt.
    Orithia teilte das Amazonenheer in zwei Flügel. Der linke verteilte sich über den Nordhang des Areopag, sicherte ihn gegen Angriffe aus dieser Richtung und für einen Sturm auf die Burg. Mit dem stärkeren rechten Flügel zog Orithia dem griechischen Heer entgegen, das vom südlich gelegenen Musenhügel aus angriff. Eng geschlossen, nach allen Seiten von Schilden gedeckt, überstand das Fußvolk die erste Salve von Pfeilen. Einzelne Krieger schleuderten ihre Wurfspieße gegen die Amazonen und wurden dabei von Kombattanten gedeckt. Die Amazonen mussten das Heer auseinander treiben, um offensiv werden zu können, und galoppierten in die griechische Formation hinein. Ihre Pferde warfen die Männer um und rissen Lücken in ihre Reihen, die sofort von weiteren Amazonen besetzt wurden. Mit Spieß und Doppelaxt schlugen sie sich Schneisen, Pferde- und Menschenleiber drängten sich gegeneinander, hoch über ihre Köpfe hielten die Männer ihre Schilde, um die tödlichen Schläge der Frauen abzuwehren, die vom Pferderücken aus auf sie eindrangen. Wer aber das Schild hochriss, lief Gefahr, von der ungeschützten Seite aus durchbohrt zu werden. Blut und Staub vermischten sich in den Stunden der Schlacht zu dunkelrotem Matsch, aus dem in der Augusthitze ein unerträglicher Geruch aufstieg.

    |60| Immer tiefer drangen die Frauen in die Reihen der Griechen, bis sich das Heer ihrem gewaltsamen Ansturm öffnete. Zu viele Männer lagen schon still im Staub, unzählige starben gerade an ihren klaffenden Wunden, zertrümmerten Schädeln und Huftritten, die all das Zerbrechen und Zerfließen beschleunigten. Das noch stehende Heer fiel auseinander, und die Folgen waren katastrophaler als bei den Amazonen, die ebenfalls furchtbare Verluste erlitten hatten. Denn das beweglichere Frauenheer konnte die fehlenden Kriegerinnen besser ersetzen, Lücken bedeuteten bei ihnen keine Fehlstellen, sondern strategische Elemente, die sich je nach Schlachtverlauf auftaten und wieder schlossen. Die hin- und herjagenden Frauen gewannen selbst in der Enge der Stadt die Oberhand und trieben das aufgelöste Griechenheer schließlich bis zum Heiligtum der Eumeniden vor sich her.
    Diese Schlacht war zugunsten der Frauen entschieden – aber um welchen Preis an Toten und Verwundeten. Und noch war Hippolyte nicht befreit, der Krieg nicht zu Ende, die Reserven der Griechen nicht ausgeschöpft.
    Die Nacht legte ihre schwarze Decke über die Toten, Feuer brannten im Lager der Amazonen, deren wenige Mittel nicht ausreichten, all die Verletzten zu versorgen, als eine kleine Gruppe verängstigter Frauen im Lager erschien und zitternd Orithia zu sprechen verlangte. Als sie erschien, wichen die Frauen mit einem Aufschrei zurück. Mit Orithia stand der Krieg vor ihnen. Blutige Waffen hingen an ihrem kostbaren Gürtel, die ehemals weichen, halb hohen Lederstiefel waren hart von geronnenem Blut, der helle Chiton ein rotbrauner Fetzen. Das dunkle Haar fiel in staubigen, schweißverklebten Strähnen ins beschmierte Gesicht, klebte an den hohen Wangenknochen, den aufgesprungenen Mundwinkeln. Sogar die Augen waren rot von Staub, Müdigkeit und heruntergewürgter Trauer um die toten Schwestern. Mit kurzem Befehl forderte sie die Frauen zum Sprechen auf. Hippolyte, begann eine von ihnen mit bebender Stimme, habe sie geschickt mit Salben, Verbänden und dem Auftrag, die Schwerverletzten |61| nach Chalkis auf der Insel Euböa zu bringen, wo sie von Heilkundigen die nötige Pflege erhalten sollten. Die Wagen stünden bereit, sie und die anderen Helferinnen würden die Verletzten während der Überfahrt betreuen. Orithias Züge entspannten sich, ein Funke Zuversicht kehrte in ihr angestrengtes Gesicht zurück. Hippolyte lebte, brachte Hilfe, hatte Pläne, vielleicht Verbündete, die ihr zur Flucht verhalfen oder konnte sich aus eigener Kraft befreien, würde zu den Amazonen stoßen und zusammen mit ihnen nach Themiskyra heimkehren!
    Gemeinsam betteten Griechinnen und Amazonen die Verwundeten auf bereitstehende Karren und führten sie langsam zum Hafen, wo das Schiff nach Chalkis wartete. Dann endlich

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