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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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sich von diesem Gebirge herabrollen läßt, erkennt sie, welcher Gefahr sie entronnen ist. Die Hügel haben nicht nur Köpfe, sondern obendrein vier krallenbewehrte Füße und kleine dreieckige Schwänze.
    Das ist das erste Mal, daß Nr. 56 Schildkröten zu sehen bekommt.
     
    ZEIT DER VERSCHWÖRER: Unter den Menschen ist folgendes Organisationsprinzip am meisten verbreitet: Eine komplexe Hierarchie von »Verwaltenden« (Männern und Frauen, die an der Macht sind) betreut oder vielmehr leitet die eher beschränkte Gruppe der »Kreativen«, deren Arbeit sich anschließend, unter der Flagge der Distribution, die »Händler« bemächtigen … Verwaltende, Kreative. Händler. Das sind die drei Kasten, die heutzutage den Arbeiterinnen, Soldatinnen und geschlechtlich Differenzierten bei den Ameisen entsprechen.
    Der Kampf zwischen Stalin und Trotzki, den beiden russischen Führern zu Beginn des 20. Jahrhunderts, illustriert trefflich den Übergang von einem System, das die Kreativen begünstigt, zu einem System, das die Verwaltung begünstigt. Trotzki, der Mathematiker, Gründer der Roten Armee, wird nämlich von Stalin ausgeschaltet, dem Meister des Komplotts. Eine neue Ära beginnt.
    Man kommt in den jeweiligen Gesellschaftsschichten besser und schneller voran, wenn man zu verführen, Killer zu versammeln, zu desinformieren weiß, als wenn man imstande ist, Konzepte oder neue Gegenstände zu schaffen.
    Edmond Wells Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens
     
    Nr. 4000 und Nr. 103 683 haben sich wieder auf die durch Duftnoten gekennzeichnete Piste begeben, die zu dem Termitenhügel des Ostens führt. Sie begegnen Skarabäen, die damit beschäftigt sind. Humuskugeln zu rollen.
    Ameisenkundschafterinnen von einer Gattung, die so klein ist, daß man sie nur mit Mühe erkennt, anderen, die so groß sind, daß die beiden Soldatinnen kaum gesehen werden … Tatsächlich gibt es über zwölftausend Arten von Ameisen, und jede hat ihre eigene Morphologie. Die kleinsten messen nur ein paar hundert Mikron, die größten können bis zu sieben Zentimeter erreichen. Die roten Ameisen befinden sich in der Mitte.
    Nr. 4000 scheint sich endlich zurechtzufinden. Sie müssen noch diesen grünen Moosfleck überqueren, diesen Akazienstrauch hinaufklettern, unter diesen Narzissen herkrabbeln, und normalerweise müßte das dann hinter diesem Baumstumpf sein.
    Und in der Tat, kaum haben sie den Baumstumpf hinter sich gelassen, erscheinen hinter Quellern und Sanddornen der Fluß des Ostens und der Hafen von Satei.
     
    »Hallo, hallo, Bilsheim, können Sie mich hören?«
    »Klar und deutlich.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Keine Probleme.«
    »Die Länge des abgerollten Seils gibt an, daß Sie 480 Meter hinter sich haben.«
    »Wunderbar.«
    »Haben Sie etwas gesehen?«
    »Nichts von Belang. Bloß ein paar in den Stein geritzte Inschriften.«
    »Was für Inschriften?«
    »Esoterisches Zeug. Soll ich Ihnen eine vorlesen?«
    »Nein, ich glaube Ihnen aufs Wort …«
     
    Der Bauch von Nr. 56 ist in hellem Aufruhr. Im Inneren zerrt es, stößt es, rumpelt es. Sämtliche Bewohner ihrer künftigen Stadt werden allmählich ungeduldig.
    Also verzichtet sie auf große Ansprüche. Sie wählt einen Kessel aus ockerfarbener bis schwarzer Erde und beschließt, dort ihre Stadt zu gründen.
    Der Ort ist keine schlechte Wahl. Es gibt in der Umgebung keine Duftnoten von Zwergameisen, Termiten oder Wespen.
    Es gibt sogar einige Pheromonenpisten, die darauf hinweisen, daß sich schon Belokanerinnen bis hierher vorgewagt haben.
    Sie kostet die Erde. Der Boden ist reich an Spurenelementen, nicht zu trocken, aber auch nicht allzu feucht. Sogar ein kleiner Busch ragt über den Kessel.
    Sie reinigt eine kreisrunde Fläche von dreihundert Kopf Durchmesser, was den optimalen Grundriß ihrer Stadt darstellt.
    Mit den Kräften am Ende, würgt sie mehrmals, um Nahrung aus ihrem Sozialkropf nach oben zu befördern, aber der ist schon lange leer. Sie hat keine Energiereserven mehr. Also reißt sie mit einem Ruck ihre Flügel ab und verzehrt gierig die muskulösen Wurzeln.
    Mit diesem Kalorienschub müßte sie einige Tage auskommen.
    Dann vergräbt sie sich bis zum Rand der Antennen. Niemand darf sie sehen während dieser Zeit, in der sie eine wehrlose Beute abgibt.
    Sie wartet. Die in ihrem Körper versteckte Stadt wird langsam wach. Wie wird sie sie nennen?
    Als erstes muß sie sich den Namen einer Königin ausdenken.
    Einen Namen zu haben heißt, bei den Ameisen als

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