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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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tun?« Eva knallte eine volle Flasche Bier vor Thomas auf den Tisch. Dann ging sie zum Herd zurück und rührte in einer ihrer undefinierbaren Suppen. »Außerdem gibt es schon genug Glasbläser, die sich damit ihr Brot verdienen.«
    »Ich höre immer nur Handwerk! Aber es ist doch wohl eine Tatsache, dass Handwerkskunst allein nicht satt macht, oder? Was ist also die logische Konsequenz? Nach etwas zu suchen, das satt macht! Nichts anderes versuche ich, und ich wäre froh, wenn ihr euch auch ein wenig anstrengen würdet, statt immer nur meine Ideen niederzumachen. Und bitte, Eva, öffne doch wenigstens das Fenster, wenn du schon keinen Deckel auf den Topf tust! In dem Dampf wird einem ja ganz schlecht«, schimpfte Wanda. Allmählich wurde ihr die ganze Sache wirklich zu dumm!
    Dass im Hause Heimer nicht viel Federlesens gemacht wurde, hatte sie schnell gemerkt. Höfliche Umgangsformen, Rücksicht auf persönliche Gefühle oder kleine Eitelkeiten – all das galt nichts. Jeder sagte, was ihm gerade im Kopf herumging – auch Wanda –, und zwar deutlich. Trotzdem versetzte es ihr jedes Mal einen Stich, wenn Thomas wieder einmal einen ihrer Vorschläge barsch vom Tisch fegte. Dabei war sie davon überzeugt, dass der eine oder andere Vorschlag wirklich gut war! Natürlich war sie keine Expertin in puncto wirtschaftlicher Beratung, aber es erstaunte sie selbst, wie viel Wissen über Glas und über Lauscha sie sich in den letzten Wochen angeeignet hatte. Einmal hatte sie sich sogar an den Bolg gesetzt und unter Thomas’ Anleitung versucht, ein Glaszu blasen. Dabei hatte sie sich allerdings nicht sehr geschickt angestellt und sich an die verhassten Handarbeitsstunden in New York erinnert.
    Eva knallte erst einen Deckel auf den Topf, dann die Tür hinter sich zu. Doch im nächsten Moment steckte sie ihren Kopf nochmals in die Küche.
    »Es hat dich keiner hierher gebeten, vergiss das nicht! Kommst her und bildest dir ein, wir würden nur auf dich und deine verrückten Vorschläge warten! Wenn dich Wilhelm hören würde, wäre er über deine Besuche hier längst nicht mehr so erfreut!«
    Die Tür knallte ein zweites Mal.
    Am Tisch machte sich Schweigen breit.
    Thomas Heimer sprach als Erster. »Technische Gläser, Glasknöpfe, gesponnenes Glas – auf so etwas kann man seine Produktion nicht von heute auf morgen umstellen, für alles gibt es Experten. Und dann deine Schnapsidee mit den Glasschaukästen am Haus, also wirklich! Das ist alles nicht so leicht, wie du es dir vorstellst, Wanda.« Sein Tonfall war beschwichtigend, als ob ihm sein Wutausbruch von vorhin leidtäte.
    »Das behaupte ich doch gar nicht, oder?«, fuhr Wanda auf. »Aber dass etwas geschehen muss, ist dir doch auch klar.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Nach schlechten Zeiten kommen gute und umgekehrt. Da muss man durch, auch ohne dass man gleich die eigene Werkstatt auf den Kopf stellt. Das sind schlichte Naturgesetze, das war schon immer so.« Heimer seufzte. »Aber was weiß ein Stadtmensch schon davon?«
    »Du und deine Naturgesetze! Mich würde mal interessieren, warum von diesen Naturgesetzen nicht alle Glasbläser betroffen sind, sondern nur die, die den Anschluss an die neue Zeit verpasst haben. Eine Mode, die vorüber ist, kommt nicht so bald wieder, die Leute haben sich am Alten einfachsattgesehen. Das darfst du mir Stadtmensch glauben! Und in die Städte geht doch wohl ein Großteil der Lauschaer Glaswaren, oder? Die Menschen wollen Neues! Moderne Produkte, die ihren Alltag erleichtern. Neue, schöne Dinge, mit denen sie ihr Heim schmücken können. Und die vielen Fabriken, die euch die Arbeit wegnehmen, werden auch nicht einfach wieder verschwinden!« Erschöpft lehnte sich Wanda zurück. Wie oft musste sie ihm das noch vorkauen? Allmählich kam sie sich vor wie eine von Mutters Schallplatten, die einen Sprung hatte und immer wieder über dieselbe Stelle leierte.
    Diesmal schwiegen beide trotzig.
    Sie fanden einfach keinen gemeinsamen Nenner. Bisher hatte ihr Vater jede neue Idee von Anfang an abgeblockt. Wenn ihm etwas nicht gefiel, weigerte er sich, auch nur darüber nachzudenken. Das wiederum machte Wanda ihm zum Vorwurf, und so verhärteten sich die Fronten mit jedem Tag, den Wanda ins Oberland hinaufstapfte.
    Wie er nun dasaß und schmollte wie ein zu groß gewordener Schuljunge! Dabei hatte er denselben verkniffenen Zug um den Mund wie ihr Großvater, wenn der sich weigerte, von Eva gefüttert zu werden. Wenn sie jetzt die

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