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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Oberfläche, das Glas wirkte dadurch wie in ein filigranes Netz eingehüllt. Blautöne in allen Schattierungen gingen in Lila über, helles Grün wechselte mit dunkleren Grüntönen ab, dazwischen immer wieder rosafarbene Strahlen.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen, nicht einmal bei der Glasausstellung in New York, von der ich dir erzählt habe.« Wanda schüttelte den Kopf. Dass Richard sein Handwerk verstand, hatte sie von Anfang an gewusst. Schon die Gläser, die er ihr bei ihrem ersten Besuch gezeigt hatte, waren etwas Besonderes gewesen. Aber was hier vor ihr auf dem Tisch stand, war einzigartig. Verliebt schaute sie Richard an. Er war ein Künstler! Genau das sagte sie ihm.
    Stolz glänzte in seinen Augen. »Für diese Technik, die Pennelate heißt, muss das Glas auch noch heiß sein. Um diese feinen Striche zu bekommen, darf man nur ganz kurz miteinem farbigen Rohling darüberwischen.« Richards Miene verdüsterte sich plötzlich. »Mit dem, was sich am heißen Glas machen lässt, bin ich schon ganz zufrieden. Aber bei den Kalttechniken komme ich einfach nicht weiter. Da fehlt es mir nicht nur am Handwerkszeug. Gotthilf Täuber meint, auch Ätztechniken seien stark im Kommen, und ich müsse unbedingt jemanden finden, der sich mit Chemie und solchen Dingen auskennt. Er will mir dabei helfen, hat deswegen sogar schon einem befreundeten Galeristen in Venedig geschrieben. Mal sehen, was daraus wird …«
    Wanda nickte. Dieser Täuber schien es mit Richard ja richtig ernst zu meinen. Sie nahm das golden glänzende Glas nochmals in die Hand. »Wenn ich da an die springenden Hirsche auf den Heimer’schen Gläsern denke …«
    »Unterschätz das Können deines Vaters nicht! Die Technik mit dem Blattgold kennt hier zwar außer mir wahrscheinlich noch keiner, aber ich habe etliche unserer Techniken auch bei den venezianischen Gläsern entdeckt, die Gotthilf Täuber mir gezeigt hat. Überfangtechniken, eingearbeitete Glasfäden, geschnittenes Glas – all das kennen wir hier schon seit Jahrhunderten. So schön Muraner Glas auch ist – der größte Teil davon wird in irgendeinem Neo-Stil hergestellt, ist sozusagen kalter Kaffee nochmals aufgewärmt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das kapierte, aber es hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass aus dem Zusammenspiel von Alt und Neu etwas ganz Besonderes, Einzigartiges entsteht.« Richards Augen funkelten. »Und ich bin auch davon überzeugt, dass man damit richtig Geld verdienen kann.«
    Angesichts seiner Begeisterung musste Wanda lachen. »Dann hat ja wenigstens einer von uns beiden eine Überzeugung!«, sagte sie trocken und küsste ihn innig auf den Mund.

    Obwohl es schon nach acht Uhr abends war, als Wanda sich endlich von Richard trennen konnte, sah sie schon vonweitem, dass die Gasflammen in der Werkstatt Steinmann-Maienbaum noch immer flackerten – Johanna hatte schon am Morgen angekündigt, dass es heute viel zu tun geben würde. Wanda begrüßte die Ruhe im Haus, denn sie musste nachdenken. Trotzdem schaute sie erst in der Küche nach, ob es etwas für sie zu tun gab. Als sie jedoch sah, dass schon ein Topf Suppe vor sich hin köchelte und auch das Brot schon geschnitten war, setzte sie sich an den Küchentisch und holte aus der Schublade den Block hervor, auf dem Johanna ihre verschiedenen Listen zusammenstellte. Beherzt nahm sie einen Bleistift und begann zu schreiben:

    Geschäftsplan für die Werkstatt Heimer

    Zufrieden betrachtete sie die Überschrift. So gehörte sich das! Die nächsten Sätze flossen ihr nur so aus der Hand.

    1. Was kann man tun, um wieder mehr Aufträge zu bekommen?
Herausfinden, was die Verleger in Sonneberg wünschen, wie Marie in ihrem Brief vorgeschlagen hat. Ein Besuch in Sonneberg ist dringend nötig!
Vielleicht lassen sich neue Kunden in umliegenden Städten finden? Zum Beispiel in Coburg, Meiningen, Suhl, Bayreuth und Kulmbach? Idee mit Richard besprechen!
Aufschreiben, welche Techniken Vater beherrscht, und mit ihm überlegen, ob er vielleicht auch etwas Neues aus dem Alten machen kann, wie Richard.

    Mit jedem Punkt auf der Liste wuchs Wandas Zuversicht. »Ich habe geglaubt, du würdest irgendwie organisierter an die ganze Sache herangehen«  – es war, als ob Richards Vorwurf frische Energie in ihr freigesetzt hätte. Sie hatte zwar keine Ausbildung zur Sekretärin oder Kontoristin oder was man sonst in der Wirtschaft brauchte, aber sie war immerhin in einem Geschäftshaushalt aufgewachsen! Eigentlich

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