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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sich dagegen. Warum hast du mir das angetan?, schrie sie stumm. Dann schaute sie Franco an.
    »Ich soll dir sagen, wie es jetzt weitergeht?« Sie lachte bitter. »Ich weiß nur, dass ich dumme Kuh dir geglaubt habe, als du von der Ehre der de Luccas gesprochen hast. Von euren ›Traditionen‹ und der Liebe zum Wein. Dabei hast du mich die ganze Zeit angelogen!« Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen. Ein Zauberspruch – und alles wäre wieder gut! Doch als sie aufschaute, saß Franco immer noch neben ihr, betreten und sprachlos. Plötzlich widerte er sie so sehr an!
    »Als ich dir das Buch über die Veredelung der Rebsorten schenkte, musst du dich im Stillen halb totgelacht haben! Wo ihr doch eine viel einfachere Methode kennt, euren Reichtum zu vermehren.«
    »Marie, bitte …«
    »Ach, auf einmal tut die Wahrheit weh? Ist es so?« Nur um des Kindes willen ging sie nicht mit Fäusten auf ihn los. Stattdessen rutschte sie nach vorn auf die Bettkante und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Ihr Blick wanderte einmal durch den Raum, als müsse sie sich orientieren. Dann ging sie zum Kleiderschrank.
    »Was tust du? Marie! Was soll ich sagen? Es tut mir so unendlich leid! Ich habe das alles nicht gewollt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich gegen die ganze Geschichte war! Tausend Mal habe ich versucht, Vater umzustimmen, glaube mir. Aber du kennst ja seine Sturheit. Was blieb mir denn anderes übrig, als mitzumachen?«
    Die Weinerlichkeit in seiner Stimme machte Marie nur noch zorniger. Natürlich, jetzt war er verzweifelt! Aber was war in all den Monaten und Jahren zuvor gewesen?
    »Soll deine Feigheit als Entschuldigung gelten? Was erwartest du von mir, Franco?« Ihre Hand zitterte, als sie einenStapel Blusen aus einem Fach riss. Keine Minute länger würde sie in diesem Haus bleiben. Und wenn sie mitten in der Nacht mutterseelenallein durch Genua laufen musste! Keine Ehe, keinen Vater für ihr Kind, keine Liebe, kein Zuhause, keine Werkstatt – alles verloren in einer Nacht. Und Franco ein Verbrecher. Sie ging zur Kommode und riss planlos eine Schublade auf.
    »Ich weiß, dass du mir nicht mehr glaubst, aber es ist die Wahrheit, wenn ich sage, dass ich nach dieser Fuhre Schluss machen wollte, das habe ich in der Silvesternacht beschlossen«, kam es leise vom Bett. »Ich würde alles tun, um diese Tragödie ungeschehen zu machen.«
    Franco stand auf und versuchte, von hinten die Arme um Marie zu legen.
    »Bitte, Marie, geh nicht. Tu mir das nicht auch noch an. Es wird alles wieder gut, ich verspreche es. Denk doch an unser Kind. Und an deine Galerie, die wir eröffnen wollen. Ich werde nach Amerika fahren und dafür sorgen, dass …«
    Sie schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. Weil ihre Koffer auf dem Schrank standen und weil sie Franco nicht bitten wollte, sie herunterzuholen, stopfte sie einen Stapel Unterwäsche in einen der Leinenbeutel, in denen sonst die Schmutzwäsche für die Wäscherei gesammelt wurde. Die Blusen folgten, dann zwei Röcke.
    »Marie, ich flehe dich an! Wenn du jetzt gehst, überlebe ich das nicht. Bitte, du kannst mich nicht verlassen. Ich brauche dich …«
    Sie schaute ihn mit leerem Blick an.
    Wenn ich bleibe, überlebe ich nicht!, hätte sie erwidern können. Stattdessen sagte sie nur: »Du hast alles kaputtgemacht.«

17

    Die beiden Kleidersäcke halb tragend, halb hinter sich herschleifend, stolperte Marie durch die langen Gänge des Palazzos. Raus hier, nur raus – zu einem anderen Gedanken war sie nicht fähig.
    Schon von weitem sah sie den Conte an der Haustür stehen. Ihn, und Patrizia an seiner Seite.
    »Du gehst nirgendwohin.«
    Fassungslos schaute Marie ihren Schwiegervater an. Wie selbstgerecht er aussah! Kein »Marie, es tut mir leid«. Kein »Ich bereue meine Sünden«.
    »Was willst du dagegen tun? Mich einsperren wie die armen Burschen in euren Frachtkisten für Wein?« Ihre Forschheit war nicht sehr überzeugend. Etwas bröckelte in ihr, und ihre Kraft ließ nach. Bitte lass mich gehen, damit ich nachdenken kann , flehte sie im Stillen.
    »Marie, geh nicht ohne mich! Bitte, ich flehe dich an! Wenn du gehen musst, dann nimm mich mit.« Franco, der ihr gefolgt war, hing an ihrem Arm wie ein Kleinkind an dem seiner Mutter.
    »Ti amo«, flüsterte er. Und: »Ich liebe dich mehr als mein Leben!«
    Eine jähe Welle des Mitleids erfasste Marie. Aber sie erwiderte laut: »Was bedeutet das schon bei einem so jämmerlichen Leben wie deinem?« Diese Worte

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