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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nervenzehrendes Durchhalten oder gar panischer Angstschweiß.
    Harold Stein hatte gerade den ersten Schluck Scotch getrunken, als er Wanda durch die Tür kommen sah. Seit sie angefangen hatte zu arbeiten, hatten sie es sich zur Gewohnheitgemacht, sich jeden Mittwoch nach Geschäftsschluss hier zu treffen. Meistens war er jedoch eine Stunde früher da als sie.
    Mit hoch gerecktem Kinn, die Augen stur geradeaus, bahnte sie sich einen Weg durch die wild gestikulierenden Männer. Obwohl sie eisiger dreinschaute als eine nahende Schlechtwetterfront, war ihr die Bewunderung eines jeden einzelnen Mannes im Raum sicher, die von Mickey inklusive. Kaum sah er Wanda an seiner Theke vorbeirauschen, ließ er seine Biergläser stehen und schenkte Anislikör in ein hohes, schmales Glas, das er sodann dem nächstbesten Gast reichte. »Weitergeben! Der Lady dahinten!«, befahl er und verfolgte den Weg des Glases mit Argusaugen.
    Wie kam es nur, dass Wanda Menschen für sich einnehmen konnte, ohne etwas dafür tun zu müssen?, wunderte sich Harold nicht zum ersten Mal. Charme allein reichte dafür nicht aus, Schönheit auch nicht – obwohl Wanda beides im Übermaß besaß. War es ihr Lachen, das so gelöst und einzigartig klang, dass sich alle im Raum danach umdrehten? Ihre Art, alles, auch die kleinsten Dinge des täglichen Lebens, mit Begeisterung zu tun? Für Harold war es eine Gabe, für die er noch keine Bezeichnung gefunden hatte und um die er sie manchmal – besonders dann, wenn er einem schwierigen Kunden gegenübersaß – beneidete. Für Wanda wäre es sicher ein Leichtes gewesen, den Schweinezüchter aus Oregon von der Investition in Silver International zu überzeugen – er jedoch hatte den misstrauischen Ochsen trotz größter Bemühungen ohne Abschluss gehen lassen müssen.
    Aus dem Augenwinkel heraus registrierte Harold die begehrlichen Blicke der anderen Gäste, als Wanda auf die schmale Bank ihm gegenüber rutschte. Diese weißblonden Haare nur einmal kurz berühren zu dürfen! Den Duft nach Jugend und Pfirsich aus der Nähe zu verspüren! Einen Arm um die schlanke, biegsame Taille zu legen oder mit einem Finger die elegante Linie ihres Nackens nachzufahren – dieLuft in Mickeys Bar war plötzlich mit einer anderen Sehnsucht erfüllt als der nach der nächsten Börsenhausse.
    Noch halb im Stehen nahm Wanda einen Schluck vom Anislikör, der kurz vor ihr den Tisch erreicht hatte. Ihr Blick war düster und verschlossen.
    Dass ihre alberne weiße Schürze nicht über ihrem Arm hing, registrierte Harold sofort. Und das, obwohl sie direkt von der Arbeit kam? Es fiel ihm nicht schwer, sich den Rest zusammenzureimen. Nun, ihr betörendes Lachen würde er heute gewiss nicht hören!
    »Und was war es diesmal?«, fragte er. »Ich gehe doch recht in der Annahme, dass deine Zeit bei Schraft’s abgelaufen ist?« Wanda runzelte die Stirn. »Woher …« Doch statt ihre Frage auszuformulieren, stieß sie hervor: »Die Schweinsfüße von Monique Demoines!«
    »Die was ?«
    »Eine verwechselte Bestellung. Nein, eigentlich stimmt das gar nicht. Hätte Monique nicht so einen Zinnober um ihr Fest gemacht und –« Wanda winkte geringschätzig ab. »Wie die sich aufgeführt hat, lachhaft war das, lachhaft! Alles nur wegen eines Missverständnisses.«
    Ihr Gehabe konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine tiefe Demütigung erfahren hatte – zu verletzt war dafür ihr Blick, zu verbissen ihr Mund.
    Harold hob die Brauen. Der letzte Job, den Wanda verloren hatte, war der bei »Arts and Artists« gewesen, einer modernen und äußerst schicken Kunstgalerie. Wenn er sich richtig erinnerte, war auch dort ein »Missverständnis« der Grund für ihren Rausschmiss gewesen: Als sie – gerade erst zwei Wochen im Dienst – einen heruntergekommenen Typen dabei erwischte, wie er Skulpturen in eine Tasche packte, hatte sie ihn für einen Dieb gehalten und Zeter und Mordio geschrien. Dass just in diesem Moment zwei Polizisten an der Galerie vorbeiliefen, die den Kerl trotz dessen lautstarker Protestegleich mit aufs Revier nahmen, war Wandas Untergang gewesen: Der vermeintliche Dieb hatte sich als ein bekannter Bildhauer herausgestellt, der in Absprache mit dem Galeristen seine eigenen Kunstwerke hatte austauschen wollen.
    Wandas Augen funkelten, ob vor Wut oder zurückgehaltener Tränen konnte Harold nicht mit Bestimmtheit sagen.
    »Ach, Harry, es ist so gemein!«, platzte sie heraus. »Mason Schraft hat sich nicht einmal die

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