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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Zeit genommen, sich meine Version anzuhören! Eins sage ich dir: Die haben mich das letzte Mal gesehen. Lieber verhungere ich, als dass ich dort auch nur ein Stückchen Kuchen kaufe!« Zur Bekräftigung ihrer Worte kippte sie den Anislikör in einem Schluck hinunter.
    »Schinken oder Salami – eine Verwechslung ist doch kein Grund für eine Kündigung!«, versuchte Harold die ganze Sache herunterzuspielen. Dann sah er sie skeptisch an. »Schweinsfüße – hattest du nicht etwas von Schweinsfüßen gesagt?«
    »Na ja, ganz so banal war die Angelegenheit nun auch wieder nicht«, sagte Wanda gedehnt. Hingebungsvoll widmete sie sich der Betrachtung ihres Likörglases. Kurz darauf gurgelte schon wieder ein unterdrücktes Lachen in ihrer Kehle, und sie erzählte Harold von Moniques geheimnisvollem Getue und dem kleinen Zettel, den Wanda sofort zu den Köchen gebracht hatte. Und von den sechs Dutzend Schweinsfüßen, dem Bottich mit Bauchlappen und der Pfanne Gekröse, die daraufhin zubereitet worden waren. Und davon, dass Wanda die Kasserollen und Servierplatten eigenhändig dekoriert und abgedeckt hatte, um den Überraschungseffekt nur ja nicht zu gefährden.
    »Das glaube ich nicht!« Harold beugte sich näher zu Wanda. »Sag, dass du mich auf den Arm nimmst! Dir muss doch aufgefallen sein, dass da etwas nicht stimmt!«
    Sie wich vor seiner Heftigkeit zurück. »Natürlich fand ich die Bestellung eigenartig!«, verteidigte sie sich. »Abernachdem Monique zuvor von einer kulinarischen Vertreibung aus dem Paradies gefaselt hatte, dachte ich mir, dass Schweinsfüße dazu bestens geeignet wären. Und außerdem: Woher hätte ich wissen sollen, dass es sich bei diesem Wisch um ihre wöchentliche Almosenlieferung für die Obdachlosenküche im East-End handelte? Ihre Auflistung von Speisen für ihre Gäste hingegen, die allesamt mit Tintenfischtusche schwarz eingefärbt werden sollten, habe ich doch gar nicht zu Gesicht bekommen!« Sie kicherte nervös. »Die Augen von Moniques Gästen hätte ich sehen wollen!«
    Harold konnte nicht mitlachen. »Du bist unmöglich! Warum bist du nicht sofort zu Schraft gegangen, wenn du den leisesten Zweifel hattest?«
    »Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen«, gab sie schulterzuckend zu. »Wenn du Monique und ihresgleichen so gut kennen würdest wie ich, dann würdest du mir diese Frage gar nicht stellen. Denen ist nämlich alles zuzutrauen!«
    Er schüttelte den Kopf. Auf der einen Seite tat Wanda gern so, als läge ihr nicht das Geringste daran, zu den so genannten »Oberen Zehntausend« zu gehören. Auf der anderen Seite nutzte sie dieses Privileg schamlos aus: Statt einfach nur das zu tun, was ihr aufgetragen wurde, handelte sie eigenmächtig und ohne über die Konsequenzen ihres Tuns nachzudenken. So charmant dieses Verhalten bei einer Frau sein konnte – weder an Schraft’s Delikatessentheke noch an einem anderen Arbeitsplatz war es gefragt.
    Wanda seufzte laut und heftig. »Ach Harold, es ist so ungerecht! Warum müssen solche Dinge immer mir passieren? Ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht, als dass es diesmal klappt.« Sie sank in sich zusammen. Weggeblasen war ihre Nonchalance, sie wirkte nur noch verletzlich und jung.
    »Mason Schraft soll zum Teufel gehen! Dieser Banause hat dich doch gar nicht verdient!«, hörte Harold sich heftig sagen. Warum lasse ich mich eigentlich immer wieder von ihrum den kleinen Finger wickeln?, fragte er sich, während er Wandas Hand hielt und tröstend auf sie einsprach.
    Schon bald nachdem sie sich auf dem alljährlichen Frühlingsball, zu dem sein Arbeitgeber – das Bankhaus Stanley Finch – seine besten Kunden einlud und zu dem auch Steven Miles mit seiner Familie gekommen war, kennengelernt hatten, hatte Harold sich geschworen, Wanda gegenüber strenger zu sein als der Rest der Welt. Dass sie sich von Kindesbeinen an aufgrund ihrer Schönheit und ihres Charmes über viele Gesetze hatte hinwegsetzen können, war ihm bald klar gewesen, nachdem er sie zusammen mit ihren Eltern erlebt hatte. Wenn er bei ihr landen wollte, durfte er es ihr nicht leicht machen. Kein einfacher Vorsatz, denn er musste nur in ihr perfektes Gesicht schauen, und schon hatte er das Bedürfnis, ihr die Welt zu Füßen zu legen. Aber daran, dass sie nun schon die vierte Arbeitsstelle verloren hatte, konnte auch er nichts ändern.
    »Vielleicht soll es einfach nicht sein«, sagte er jetzt. »Vielleicht bist du einfach nicht für solche Jobs geeignet!« Er

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