Die amerikanische Nacht
anfing, verhaltensauffällig zu werden. Sie hatte aufgehört zu lachen. Und wenn sie wütend wurde, war ihr Zorn beängstigend. Stanislas musste es ihr erzählen. Er zeigte seiner armen Frau, was er für Ashleys Teufelsmal hielt. Etwas, das Krötenmal genannt wird. Ein recht großer Fleck in der Iris, ganz nah an der Pupille. Ashley hatte es im linken Auge.«
Ich starrte sie an. Marlowe hatte gerade beschrieben, wovon auch Lupe, das Zimmermädchen im Waldorf, gesprochen hatte.
Huella del mal. Abdruck des Bösen
. Nora drehte sich zu mir um, sie erinnerte sich genau, hatte sie mir doch den Fleck auf dem Foto aus der Gerichtsmedizin gezeigt.
»Astrid wollte das natürlich nicht wahrhaben. Aber dann ereignete sich ein schrecklicher Vorfall, der ihre Meinung änderte. Mitten in der Nacht wurde das gesamte Haus vom Schreien eines Mannes aufgeweckt. Es war der Priester. Der Schlafanzug, den er trug, und sein Priestergewand im Schrank
brannten
.
Er
brannte. Es gelang der Familie, das Feuer zu ersticken. Astrid verfrachtete den Mann, der kaum noch bei Bewusstsein war, auf die Rückbank ihres Autos, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. Cordova konnte natürlich nicht mehr fahren, weil er sich weigerte, das Grundstück zu verlassen. Sie wollten keinen Krankenwagen rufen, weil sie Angst vor der Presse hatten. Astrid war völlig überdreht und fuhr viel zu schnell. In einer Haarnadelkurve verlor sie die Kontrolle und fuhr das Auto zu Schrott. Theo kam ihnen mit einem Lieferwagen zu Hilfe. Der Priester verlor immer wieder das Bewusstsein. Er stöhnte vor Schmerz und war dem Tod nahe. Theo lud ihn vor einem kleinen Krankenhaus in der Nähe von Albany ab und machte sich aus dem Staub. Der Priester wurde unter dem Namen John Doe aufgenommen, mit Verbrennungen dritten Grades. Ashley hatte das Ganze scheinbar verschlafen. Doch am nächsten Morgen fiel Astrid auf, dass ihre Tochter eine schlimme Verbrennung an der rechten Hand hatte. Astrid wusste, dass sie dafür verantwortlich war. Von diesem Augenblick an glaubte sie Stanny, dass der Fluch des Teufels echt war.« Marlowe schüttelte den Kopf. »Der Priester überlebte, aber es heißt, dass er einen Monat später aus dem Krankenhaus verschwand und nie wieder gesehen wurde, weder in The Peak noch irgendwo sonst.«
Ich konnte kaum glauben, was sie da erzählte. Marlowe hatte bis ins kleinste Detail den Vorfall beschrieben, den ich fünf Jahre zuvor bei meinen Recherchen zu Cordova aufgestöbert hatte. Die Frau von der Hotelrezeption, Kate Miller, war in den frühen Morgenstunden Ende Mai Zeugin eines Autounfalls geworden. Astrid Cordova hatte am Steuer gesessen. Astrid behauptete, allein unterwegs gewesen zu sein, doch Kate schwor, dass noch jemand im Auto gewesen war, ein schwarz gekleideter Mann auf der Rückbank, dessen Gesicht bandagiert gewesen war – ein Mann, von dem sie behauptete, es sei Cordova gewesen.
Das war der Priester, der am lebendigen Leib gebrannt hatte.
»Wie alt war Ashley, als das passiert ist?«, fragte ich.
Marlowe zuckte mit den Schultern. »Fünfzehn? Sechzehn? Danach haben sie sie weggeschickt.«
»Wohin?«
»In irgendein Camp für ungezogene Jugendliche. Das war der letzte, ziemlich zwecklose Versuch, so zu tun, als sei Ashleys Problem nichts Außergewöhnliches.«
Ich wandte mich Hopper zu. Er hing zusammengesackt auf dem Sofa und blickte Marlowe gedankenverloren an.
»Astrid verlangte von ihrem Mann, dass er sich darum kümmerte. Und er hatte auch eine Idee. Er glaubte, dass man den Fluch umkehren könnte, wenn man Ashleys Seele durch eine andere ersetzte. Ein Tausch. Gegen ein anderes Kind. Das führte zum Bruch zwischen Ashley und ihrer Familie. Denn als man ihr schließlich alles erklärte, wollte Ashley sich in ihr Schicksal fügen. Aber Cordova suchte ständig nach einem Ausweg. Bis zum Ende. Er war davon besessen. Einen weiteren Film zu drehen war ausgeschlossen. Für ihn gab es nur
das
. Es fraß ihn auf, es ruinierte die Familie. Manchmal war Ashley vollkommen normal, dann hatten sie die Hoffnung, dass es die Dunkelheit, der sie zu erliegen drohte, nur in ihren Köpfen gab. Aber dann passierte irgendetwas und sie wussten, dass es geschah. Er würde sie holen.«
»Er?«,
schaltete sich Hopper plötzlich ein.
»Wer?«
Marlowe drehte sich zu ihm um.
»Der Teufel.«
Er schmunzelte.
»Klar.«
Sie starrte ihn an. Ihr maskenhaftes Gesicht blieb regungslos.
»
Iblis
im Islam«, flüsterte sie. »
Mara
im Buddhismus.
Set
im alten
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