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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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hallo«, sagte er ins Telefon, nachdem ich für ihn gewählt hatte. »Hier ist The Campanile. Vor mir steht ein Herr.« Er sah sich meine Visitenkarte an.
»Scott McGrath.«
Er erklärte die Situation und verstummte.
    Und dann wurde seine Miene, die vorher noch so freundlich gewesen war, mit einem Mal ernst. Er warf mir einen alarmierten Blick zu und legte ohne ein weiteres Wort auf. Dann stand er auf und kam hinter seinem Tresen hervor, um mich mit ausgestrecktem Arm zur Tür zu eskortieren.
    »Sie müssen jetzt gehen, Mister.«
    »Sagen Sie mir nur, was sie gesagt hat.«
    »Wenn Sie hier noch einmal jemanden belästigen, rufe ich die Polizei. Sie stehen in keinerlei Verbindung zu Olivia Endicott.«
    Auf der Straße drehte ich mich um – ich war sprachlos –, doch er stand immer noch in der Tür und sah mir böse nach.
    Ich ging schnell davon. Als ich die nächste Straßenecke erreichte, wählte ich selbst die Nummer von Olivias Assistentin. Sie nahm sofort ab.
    »Hier ist Scott McGrath. Was zum Teufel war das gerade?«
    »Wie bitte, Sir? Ich weiß nicht, wovon Sie reden …«
    »Hören Sie auf mit dem Scheiß! Was haben Sie dem Portier erzählt?«
    Sie sagte nichts, offenbar überlegte sie, ob sie sich unwissend stellen sollte. Dann sagte sie unterkühlt und knapp:
    »Mrs Du Pont würde es vorziehen, wenn Sie sie und ihre Familie nicht noch einmal kontaktieren würden.«
    »Mrs du Pont und ich arbeiten zusammen.«
    »Nicht mehr. Sie will mit Ihren Aktivitäten nichts zu tun haben.«
    Ich legte auf, schäumend vor Wut. Dann rief ich bei der Geschäftsleitung von The Campanile an und ließ mir Harolds Privatnummer geben.
    Den Anschluss gab es nicht mehr.

105
    Ich fuhr zurück in die Perry Street und versuchte, systematisch jeden einzelnen Zeugen zu kontaktieren, dem ich im Laufe der Nachforschungen begegnet war.
    Iona, die
Entertainerin für Junggesellenabschiede
, die uns den Tipp gegeben hatte, dass Ashley im
Oubliette
gewesen war – ich rief die Nummer auf ihrer Visitenkarte an und wurde von der elektronischen Stimme informiert, dass ihre Mailbox voll war.
    Daran änderte sich auch in den nächsten vier Tagen nichts.
    Ich wählte Morgan Devolds Nummer. Ich hatte die Seite aus dem Telefonbuch nicht mehr – die war beim Einbruch in mein Büro gestohlen worden –, aber ich bekam sie, indem ich die Telefonauskunft in Livingston Manor, New York, anrief.
    Der Anschluss war besetzt. Ich versuchte es jede Stunde, sechs Stunden lang. Sie blieb besetzt.
    Nachdem ich vom stellvertretenden Leiter des
Housekeeping
im Waldorf Towers erfuhr, dass Guadeloupe Sanchez nicht mehr für das Hotel arbeitete, beschloss ich, nach der jungen Pflegerin mit den erdbeerroten Haaren zu suchen, die uns in Briarwood vor’s Auto gelaufen war. Ich erinnerte mich, dass ihr Name Genevieve Wilson war; Morgan Devold hatte ihn erwähnt.
    »Genevieve Wilson war drei Monate lang als Lernschwester in unserer Hauptverwaltung tätig«, erklärte mir ein Mann von der Pflegeabteilung.
    »Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Ihr letzter Tag war der dritte November.«
    Das war mehr als drei Wochen her.
    »Haben Sie eine Nummer, unter der ich sie erreichen kann? Eine Privatadresse?«
    »Damit kann ich Ihnen nicht dienen.«
    War ich irgendwie dafür verantwortlich? Hatte ich den Verstand verloren? Das vorrangige Symptom des Wahnsinns ist ein nahezu ständiges Erstaunen über die Welt und das Verdächtigen von jeder und jedem, von Fremden bis zu Verwandten und Freunden. Bei mir waren beide Symptome voll ausgeprägt.
Wie auch anders?
Jeder Zeuge, jeder, der Ashley zufällig begegnet war, war nicht mehr da. Sie hatten sich still und leise zurückgezogen, wie ein Nebel, dessen Verschwinden ich erst bemerkte, als er nicht mehr da war. Genau das war vor Jahren mit meinem anonymen Anrufer geschehen, John.
    Oder lag ich komplett daneben?
Waren diese Leute um ihr Leben gerannt, untergetaucht, hatten sie sich an den Rändern der Welt abgesetzt – wie Rachel Dempsey und die unzähligen anderen Schauspieler, die mit Cordova gearbeitet und gelebt hatten –, weil sie vor etwas flüchteten? Fürchteten sie ihn, Cordova, weil sie mit mir über seine Tochter gesprochen hatten? Da meine Aufzeichnungen gestohlen waren, hatte ich nicht mehr schriftlich, was sie mir über Ashley erzählt hatten. Ihre Aussagen existierten jetzt nur noch in meinem Kopf – und in Hoppers und Noras.
    Aber auch die waren nicht mehr da.
    Dann existierten sie wirklich nur in meinem

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