Die amerikanische Nacht
überrascht.
»In Chinatown. Du heißt Hopper, stimmt’s?«
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen – aber dann verkniff er es sich. Sein Blick huschte an mir vorbei zur Tür.
»Ich bin Reporter und beschäftige mich mit Ashleys Tod.« Ich zeigte aufs Bücherregal. »Da sind ein paar meiner alten Fälle, wenn du mal gucken willst.«
Mit einem zweifelnden Blick ging er zum Regal und zog
Kokain und Karneval
hervor. »›Eine fesselnde Tour de Force‹«, las er, »›über das Milliardengeschäft mit der Droge und die Millionen zerstörter Leben, die in diese Todesmaschine geraten.‹« Er sah mich an. »Klingt
super
.«
Sagte er sarkastisch.
»Ich geb mein Bestes.«
»Und jetzt schreiben Sie über Ashley.«
»Kommt drauf an, was ich finde. Was weißt du?«
»Nichts.«
»In welcher Beziehung stehst du zu ihr?«
»In keiner.«
»Warum brichst du dann in das Lagerhaus ein, in dem sie gestorben ist?«
Er antwortete nicht, stellte bloß das Buch zurück ins Regal. Nachdem er sich die anderen Titel angesehen hatte, drehte er sich um und schob die Hände in die Manteltaschen.
»Für welche Zeitschrift arbeiten Sie?«, fragte er.
»Für mich selbst. Alles, was du sagst, kann vertraulich behandelt werden.«
»So wie beim Anwaltsgeheimnis.«
»Klar.«
Er grinste misstrauisch, aber dann starrte er mich ausdruckslos an. Diesen Blick kannte ich gut. Er wollte unbedingt reden, aber er war sich nicht sicher, ob er mir vertrauen konnte.
»Haben Sie Zeit?«, fragte er leise und rieb sich die Nase.
12
Ich folgte Hopper die Treppen eines dreckigen Mietshauses in der Ludlow Street hinauf zu seinem Apartment 3 B. Er schmiss seinen Mantel über einen Liegestuhl, verschwand im Schlafzimmer – der Raum schien nichts zu enthalten außer einer Matratze auf dem Boden – und ließ mich an der Tür stehen.
Die Wohnung war winzig, die Luft muffig und abgestanden wie in einer billigen Absteige.
Auf dem durchgesessenen grünen Sofa an der hinteren Wand lag eine alte blaue Decke, als hätte gerade jemand die Nacht dort verbracht. Auf dem Couchtisch stand ein Teller, der von Zigarettenstummeln überquoll, daneben lagen Blättchen, ein Päckchen
Golden-Virginia
-Tabak, eine offene Packung Schokoladenkekse, eine zerfledderte Ausgabe von
Interview
, mit einem abgemagerten Sternchen auf dem Cover. Sein grünes HAS BEEN -T-Shirt von gestern Nacht lag auf dem Boden, neben einem weißen Sweatshirt und ein paar anderen Klamotten. (Als ginge es darum, diesen Haufen unbedingt zu meiden, klammerte sich eine schwarze Damenstrumpfhose verzweifelt an der Lehne des zweiten Liegestuhls fest.) Ein Mädchen hatte mit schwarzem Lippenstift die Tapete geküsst. Ansonsten waren die Wände kahl. In einer Ecke stand eine Akustikgitarre neben einem alten Wanderrucksack, das ausgeblichene rote Nylon war vollgeschrieben.
Ich trat näher, um besser lesen zu können:
Bei Verlust bitte mit Inhalt zurücksenden an Hopper C. Cole, 90 Todd Street, Mission, South Dakota 57555 .
Hopper Cole aus South Dakota. Er war verdammt weit weg von zu Hause.
Darüber hatte jemand, neben die kalifornische Telefonnummer einer Frau namens Jade und ein freihändig gezeichnetes ägyptisches Auge, diese Worte geschrieben:
But now I smell the rain, and with it pain, and it’s heading my way. Sometimes I grow so tired. But I know I’ve got one thing I got to do. Ramble On.
Er war also Led-Zeppelin-Fan.
Hopper kam mit einem braunen Umschlag aus dem Schlafzimmer zurück. Er reichte ihn mir mit einem misstrauischen Blick.
Der Umschlag war adressiert an: HOPPER COLE , 165 LUDLOW STREET , 3 B – jemand hatte die Adresse in Großbuchstaben und mit schwarzem Filzstift hingekritzelt. Dem Stempel nach war der Umschlag am 10 . Oktober diesen Jahres in New York, NY , aufgegeben worden. Ich erinnerte mich, dass das der Tag war, an dem Ashley Cordova zuletzt lebend gesehen wurde. Als Absender war kein Name angegeben, bloß
9 Mott Street
– die Adresse des Lagerhauses, in dem Ashleys Leiche gefunden wurde.
Ich sah Hopper überrascht an, aber er sagte nichts. Er beobachtete mich nur, als sei das Ganze eine Art Test.
Ich zog den Inhalt des Umschlags heraus. Es war ein Stoffaffe, alt, mit verfilztem braunem Fell, aus den Augen hingen Fäden, vom roten Filzmund war nur noch eine Hälfte übrig. Der Hals war schlaff, wahrscheinlich hatte ein Kind sich zu sehr an ihm festgeklammert. Das Ding war verkrustet mit getrocknetem roten Lehm.
»Was ist das?«, fragte
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