Die amerikanische Nacht
hineingekommen?
Und wer war das? Ein Fan von Cordova? Jemand, der Ashley gekannt hatte? Ein Zeuge?
Ich überprüfte die Fenster – alle waren vernagelt. Die einzige andere Möglichkeit war ein schmaler Durchgang, der jedoch voller Müllsäcke stand.
Es sei denn, der Mann hatte sie absichtlich dort hingestellt, um den Weg zu versperren und den Eingang zu verbergen.
Ich schob ein paar Säcke zur Seite, versuchte, nicht einzuatmen, und zwängte mich hindurch. Tatsächlich war am Ende des Durchgangs ein offenes Fenster, durch das ein helles Rechteck goldenen Lichts auf die gegenüberliegende Wand fiel.
Wer auch immer er war, er hatte die Holzbretter – die jetzt auf dem Boden herumlagen – mit einer Brechstange abgebrochen. Durch die Öffnung konnte man gerade so hindurchkriechen.
Ich trat ans Fenster und sah hinein.
Es war eine hell erleuchtete Baustelle, blanke weiße Neonlampen hingen von der unfertigen Decke herab, Kunststofffässer und Abdeckplanen stapelten sich vor dem Haupteingang. Im Raum standen Hunderte Metallständer, mit denen Wände errichtet werden sollten. Weiter hinten war auf der rechten Seite ein gelbes Polizeiabsperrband vor dem Eingang zum Aufzug gespannt.
Von dem Mann keine Spur.
»Hallo?«, rief ich laut.
Stille.
Das einzige Geräusch war das insektenartige Surren der Lampen. Ich überzeugte mich, dass niemand hinter dem Fenster hockte, schnappte mir die Brechstange –
nur für den Fall
– und zwängte mich hindurch. Ich fiel auf einen Haufen Zementsäcke, die auf dem Boden lagen.
Die Halle war großräumig und bot keine offensichtlichen Verstecke. An der hinteren Wand sah ich einen Stapel Stahlträger und einige Betonmischmaschinen, eine Plastikplane verdeckte irgendetwas – etwas, das gut ein Mensch sein konnte.
Ich näherte mich langsam und zog die Plane mit einem Ruck zur Seite.
Es war bloß eine Schubkarre.
»
Ist hier jemand?
«, rief ich in den Raum und sah mich um.
Keine Antwort, nichts regte sich.
Das Klirren der Glasscheibe hat ihn wahrscheinlich verscheucht.
Ich ging zum Polizeiband, das den Aufzugschacht absperrte – er war deutlich größer, als er vom Dach aus gewirkt hatte.
Ich wollte mich gerade unter dem Band hindurchducken, um mir das Ganze aus der Nähe anzusehen, als plötzlich eine Hand meine Schulter packte und mich etwas Hartes seitlich am Kopf traf. Ich fuhr herum, wurde aber zu Boden geschubst und ließ die Brechstange fallen.
Ich sah nur noch Weiß, ich war geblendet, doch ich konnte erkennen, dass ein Mann auf mich hinabstarrte. Er rammte mir einen Fuß auf die Brust.
»Wer
bist
du, verfickte Scheiße?«, schrie er. Die Stimme klang jung und war vor Wut schwer zu verstehen. Er beugte sich über mich und streckte die Hand aus, als wolle er mich am Hals packen, doch ich riss mich los, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, schnappte mir die Brechstange und drosch ihm damit vor die Schulter.
Muhammad Ali wäre auf diese Aktion bestimmt nicht stolz gewesen, aber sie erfüllte ihren Zweck. Er versuchte, sich an einem der Metallständer festzuhalten, verfehlte ihn aber und stolperte nach hinten.
Ich stolperte hinterher. Zu meiner Überraschung war er zu betrunken, um zu stehen. Er roch nach Schnaps und Zigaretten und war einfach nur ein elendiger
Punker
– Mitte zwanzig, struppiges Haar, dreckige weiße Chucks, ein ausgewaschenes grünes T-Shirt, auf dem
HAS BEEN
stand. Seine Augen waren wässrig und blutunterlaufen, er starrte zu mir hoch, aber konnte offenbar nicht scharfstellen.
»Jetzt bin ich dran«, sagte ich. »Wer bist
du
, verfickte Scheiße?«
Er schloss die Augen und schien das Bewusstsein zu verlieren.
Mein erster Impuls war, den Jungen zu erwürgen. Ich berührte die Stelle, wo er mich am Kopf getroffen hatte, und spürte Blut. Er war kein Cop, also blieben noch Obdachloser und Cordovit zur Auswahl.
Oder er kannte Ashley.
Ich zog seinen grauen Tweedmantel unter ihm weg und überprüfte seine Manteltaschen. Ich fand ein Päckchen Marlboro mit drei Zigaretten, ein Feuerzeug, ein Schlüsselbund. Ich steckte alles zurück. Aus der anderen Tasche zog ich ein iPhone mit gesprungenem Bildschirm. Die Sicherheitssperre war aktiviert. Das Hintergrundbild war ein Foto einer halbnackten Blonden.
Ich sah in der Innentasche nach. Sie war leer. Doch ich spürte, dass da noch etwas war und bemerkte ein weiteres Fach, das in das zerrissene Innenfutter eingenäht war.
Ich griff hinein und holte zwei winzige verschließbare Beutel hervor. Beide
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