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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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dass es dir nicht gefallen würde. Aber es ist
winzig
. Ich kann es überschminken. Und vor meiner Hochzeit kann ich es immer noch weglasern lassen.«
    »Welche Hochzeit?«, fragte ich.
    »Irgendwann mal.
Falls
ich heirate. Aber Woodward, führst du mich zum Altar? Ich habe niemanden, der das machen könnte.«
    »
Ja.
Vorausgesetzt, das dauert noch zwanzig Jahre.«
    Wir waren bis fünf Uhr morgens unterwegs, betranken uns und feierten. Nach dem Odeon gingen wir in eine ungekennzeichnete Kneipe in einem Waschsalon in Chinatown, in der Hopper oft war; danach fuhren wir in einen Club, in dem Noras Freundin Maxine als Hostess arbeitete; anschließend zogen wir weiter in eine Kneipe in der Essex Street, um Billard zu spielen und die Jukebox zu kapern – wir spielten »Love Will Tear Us Apart« von Joy Division (»Das ist unsere Hymne«, sagte Nora, als Hopper sie durch den Raum wirbelte und dabei erstaunliches Tanzgeschick bewies). Sie erzählten mir, was in ihren Leben passiert war, seit diesen beiden Monaten, die wir zusammen verbracht hatten, auf der Jagd nach der Wahrheit über Ashley – und Cordova.
    Nora hatte sich voll und ganz dem Ziel verschrieben, den Off-Off-Broadway zu erobern – sie nahm an Vorsprechen teil, die im
Backstage
-Magazin annonciert waren, und arbeitete in Vollzeit bei
Healthy Bakes
. (
Healthy Bakes
war die Idee von Josephine, Noras Hippie-Vermieterin – ein Geschäft im East Village, das extrem leckere vegane, zucker- und glutenfreie, makrobiotische Cupcakes verkaufte.) Nora zeigte uns ihre neuen Porträtaufnahmen, auf denen sie uns über die Schulter hinweg ansah, ihr Haar stufig geschnitten und geglättet.
Nora Edge Halliday
stand in kunstvoller Kursivschrift auf dem Bild. Hätte das Foto eine Stimme gehabt, dann das rauchige britische Flüstern aus den Theaterproduktionen des Bildungsfernsehens.
    »Ist das
Edge
wirklich nötig?«, fragte ich sie. »Nora Halliday reicht doch völlig aus.«
    »Das
Edge
macht es besonders«, sagte Hopper.
    Nora reckte mir ihr Kinn entgegen. »Du bist überstimmt, Woodward. Wie immer.«
    Sie beugte sich über den Billardtisch, kniff konzentriert die Augen zusammen und spielte die weiße Kugel. Drei der Vollen landeten in verschiedenen Taschen. Offenbar gab es in Terra Hermosa einen Billardraum, von dem sie mir nicht erzählt hatte.
    »Ich denke, ich gebe mir selbst zehn Jahre Zeit, um groß rauszukommen«, fuhr sie fort, während sie ihren nächsten Stoß vorbereitete. »Dann steige ich aus, solange ich noch kann. Ich kaufe mir eine Farm mit Hügeln und Eseln. Bekomme ein paar Kinder. Ihr beiden kommt mich besuchen. Wir könnten uns regelmäßig treffen. Egal, wo auf der Welt wir sind, an diesem einen wunderbaren Tag kommen wir zusammen.«
    »Gefällt mir«, sagte Hopper.
    »Ich habe einen Freund. Er heißt Jasper«, sagte sie.
    »Jasper?«,
sagte ich. »Klingt wie jemand, der sich Strähnchen machen lässt.«
    »Er ist ein toller Mensch. Du würdest ihn mögen.«
    »Wie alt?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Aber schon
fast
dreiundzwanzig?«
    Sie nickte, wendete, plötzlich schüchtern, den Blick ab, und ging um den Tisch herum, so dass ich ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte.
    Hopper hatte, wie sich herausstellte, bereits aus New York wegziehen wollen, als er Noras E-Mail erhielt. Also verschob er seine Abreise um eine Woche, um uns beide ein letztes Mal sehen zu können. Seine Wohnung hatte er gekündigt. Er wollte nach Südamerika.
    »Süd
amerika
?«, fragte Nora, als hätte er gesagt, er wolle zum Mond.
    »Ja. Ich will meine Mama finden.«
    Auf seine typische Art verzichtete Hopper darauf, dieses große Vorhaben weiter auszuführen, doch ich erinnerte mich an etwas, das er bei unserer ersten Unterhaltung über seine Mutter erwähnt hatte, nämlich dass sie irgendeine seltsame missionarische Arbeit ausübte.
    Nora hockte auf der Kante des Billardtisches und knabberte an ihrem Daumennagel.
    »Und was hast du danach vor?«, fragte sie.
    »Danach …« Er lächelte. »Irgendwas richtig Gutes.«
    Wir bestellten
Patrón
-Tequila und tanzten und wählten in der Jukebox neue Lieder aus – meine
alte Männer Vintage Musik
, wie Nora es nannte, The Doors, »Everybody’s Talkin’« von Harry Nilsson und »Beyond Belief« von Elvis Costello, und dazwischen Hoppers hippe Sachen, wie »Real Love« von Beach House und »Reunion« von M 83 .
    Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, dass Ashley bei uns war, als unsichtbares viertes Mitglied unserer kleinen Gesellschaft.

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