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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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ein Umschlag mit einer Karte, adressiert an Annie und Zach, mit einem Bär vorne drauf und den gedruckten Worten:
Weißt du, wie sehr ich Dich liebe?
Beim Aufklappen breiteten sich die Arme des Bären nach beiden Seiten etwa dreißig Zentimeter aus.
So sehr! Und deshalb schicke ich Euch diese Bärenumarmung
. Unterschrieben war er mit
Mama
.
    11 . April

    Lieber Joe,

    bitte hör auf, mich anzurufen. Ich weiß, dass Du es immer wieder versuchst. Aber ich habe das alles auch nicht gewollt. Ich habe den Termin beim Arzt heute abgesagt, ich komme einfach nicht aus dem Bett. Immer ist da etwas, das mich niederhält. Und es ist auch nicht so, dass der Arzt mich exorzieren kann und ich mit einem Schlag meine Mutter loswerde. Er kann nicht einfach meine DNA verändern.
    Und wenn Annie und Zach etwas passieren würde? Denk einmal darüber nach, Joe. Sieh dieser Möglichkeit ins Gesicht, denn sie verändert alles. Ich glaube, ich kann damit leben, sie zu verlassen. Aber ich könnte nicht damit leben, sie zu verletzen. Was wäre, wenn ich so etwas getan hätte wie meine Mutter?

    Paige

    2 . Juli

    Lieber Joe,

    ich bin ganz sicher, dass ich nie wieder zurückkomme. Nicht in diese dunkle, deprimierende Küche, die um mich herum immer kleiner und dunkler wurde und in der ich schon bald in einer Ecke auf dem Boden gekauert hätte.
    Danke, dass Du nicht mehr anrufst. Ich kann nicht mit Annie und Zach zusammen sein … und ihre Stimmen zu hören ist für mich im Moment zu hart.
    Ich muss mich jetzt endgültig von Euch verabschieden. Es tut mir leid. Morgen habe ich einen Termin bei einem Arzt. Tante Bernie kümmert sich liebevoll um mich. Eines Tages, wenn Annie und Zach alt genug sind, sag ihnen, dass ihre Mama sie liebt.

    Paige

    Ich fragte mich, warum Paiges Anwalt diese Briefe eingefordert hatte. Wie wollte er denn damit erreichen, dass sie das Sorgerecht bekam?
    Als Nächstes kam wieder ein Umschlag mit Karte für Annie und Zach, diesmal mit dem Aufdruck
Ein Häschen liebt Dich
. Weitere an die Kinder adressierte Karten waren ungeöffnet. Der nächste Brief an Joe trug den Poststempel vom 15 . Oktober. Er war noch verschlossen, wie alle nachfolgenden Briefe auch, selbst die an die Kinder. Ich hielt ihn in der Hand, betrachtete ihn immer wieder von beiden Seiten.
    15 . Oktober. Ich erinnerte mich noch genau, dass Joe, Annie und ich – mit »Hilfe« des krabbelnden Zach – gerade das Haus zum ersten Mal gemeinsam für Halloween geschmückt hatten, mit orangefarbenen Lichterketten und Körben voll feuerfarbener Ahornblätter, mit Maiskolben und Flaschenkürbissen. Die großen Kürbisse aus dem Garten standen oben entlang der Veranda aufgereiht. Joe hatte das getan, was Paige wollte. Er hatte nach vorn geblickt und sein Leben wieder in die Hand genommen, und zwar so konsequent, dass er diesen Brief nicht geöffnet hatte: acht Monate, nachdem sie mit den Worten weggegangen war, nie wieder zurückzukommen, drei Monate, nachdem sie geschrieben hatte, dass sie nun nicht mehr schreiben würde, vier Monate, nachdem Joe und ich uns ineinander verliebt hatten. Ich atmete tief durch. Wenn ich diesen Brief öffnete, würde ich mir an Beweismitteln zu schaffen machen. Doch auch ich hatte mich verändert: Wovor ich früher die Augen verschlossen hatte, das wollte ich jetzt sehen. Ich musste es wissen. Ich schob die Fingerkuppe unter die zugeklebte Lasche.
    15 . Oktober

    Lieber Joe,

    Dr. Zelwig meint, ich soll wieder anfangen, Dir zu schreiben. Ich habe ihm gesagt, dass Du mich nicht mehr angerufen und mir keine Briefe mehr geschrieben hast. Nach der heutigen Sitzung glaubt er, dass Du damit nicht nur meinem Wunsch entsprichst, sondern wahrscheinlich auch Angst vor mir hast. Dass ich nicht nur mir selbst Angst gemacht habe, sondern Du wohl schon immer Angst vor mir hattest.
    Ich habe ihm von der großen Prüfung erzählt, der ich Dich unterzogen hatte, als wir uns kennenlernten. Er meinte, es wäre gut, wenn ich Dir von meinen damaligen Gefühlen schreibe, und was Deine Reaktion damals bedeutet haben könnte. Ich weiß, was Du von »Psychogeschwätz« hältst, aber im Moment dreht sich mein ganzes Leben nur darum, deshalb bitte ich um Nachsicht.
    Ich hatte mich zwanzig Jahre lang versteckt. Die Leute sagten mir immer wieder, ich solle als Model arbeiten. Sie hatten ja keine Ahnung! Ich hatte Dich oft mit der Kamera auf dem Unigelände herumlaufen sehen. So wie Du die Dinge betrachtetest, bekam ich das Gefühl, dass Du irgendwie anders

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