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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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Zeit und Raum geben, Dich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich wieder zu ihrem Leben gehören werde. Gleichzeitig habe ich dafür gesorgt, dass ich sowohl emotional als auch finanziell dazu in der Lage bin. Ich habe Geduld bewiesen, aber jeder Tag ohne sie zerreißt mich innerlich.
    Wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit allem Drum und Dran kommt, wird es allen nur schaden. Bitte, Joe. Du hast ein neues Leben. Du hast kein Recht, mir den Umgang mit meinen Kindern zu verwehren.

    Paige

    Ich öffnete den letzten Brief, abgeschickt sechs Tage vor Joes Tod. Fünf Tage, bevor er gesagt hatte, er müsse mit mir etwas besprechen.
    15 . Juni

    Joe,

    ich rufe Dich heute im Laden an und schicke Dir diesen Brief. Danach wirst Du nur noch von meinem Anwalt hören. Bitte, bemühe Dich um eine Lösung mit mir. Ich flehe Dich buchstäblich an. Ich muss die Dinge mit Annie und Zach wieder ins Lot bringen. Ich bin so weit und habe lange genug darauf gewartet, dass Du es auch bist.

    Paige

    Ich faltete den letzten Brief zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag, als wäre er etwas, das ich einfach an seinen Platz zurückstellen konnte. Ein Holzscheit platzte lautstark.
    »Was soll ich nur machen?«, war alles, was ich sagen konnte. »Was zum Teufel soll ich machen?«
    »Ella.« Lucy nahm meine Hand. »Diese Frage kann ich dir nicht beantworten.«
    »Was würdest du denn machen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Lucy, bitte, gib mir wenigstens einen Anhaltspunkt.«
    »Unmöglich. Nein. Das kannst nur du allein entscheiden. Geh einfach in dich, El. Du wirst herausfinden, was du tun musst. Und bis dahin, und auch hinterher, bin ich für dich da, ganz egal, was passiert. Und jetzt versuch ein bisschen zu schlafen.«
    »Ja, genau.«
    Sie umarmte mich und ging. Sobald ich im Bett lag, sog mich die Matratze mit gnadenloser Gewalt in ein Labyrinth schweißnasser Träume.

27. Kapitel
    Als ich aufwachte, fühlte sich meine Haut klamm und salzig an, ich war desorientiert, und die Sonne erklomm bereits die Baumwipfel. Ich sprang aus dem Bett, denn die Kinder sollten nicht denken, dass ich sie schon wieder im Stich ließ.
    Alles sah jetzt anders aus. Es war, als wäre ich durch ein fremdes Land gereist und soeben zurückgekommen. Mein Schlafzimmer, das Bad, der Flur … alles war mit einem neuen Wissen behaftet, dem Blickwinkel einer erschöpften Reisenden. Wieso hatte ich das nicht schon vorher gesehen? Dieses Zuhause hatte eine Geschichte. Joe und ich hatten kaum Veränderungen vorgenommen, nachdem ich eingezogen war, lediglich die Wand zwischen Küche und Wohnzimmer herausgerissen. Vielleicht hatte Joe gefürchtet, dass Wände sprechen könnten.
    In jenem ersten Sommer war er eines Nachmittags nach Hause gekommen und in der schmalen Küche auf und ab gelaufen, hatte nicht wie sonst mit Callie und den Kindern herumgetollt.
    »Findest du die Küche nicht unmöglich?«, hatte er gefragt.
    Ich hatte die Schultern gezuckt. »Nein, wieso?«
    »Sie ist doch furchtbar dunkel. Und viel zu voll. Und das Wohnzimmer ist zu klein. Das ist doch alles hier total deprimierend, oder?«
    »Eigentlich nicht.« Deprimierend gehörte sonst nicht zu Joes Wortschatz.
    »Die Wand hier – die könnte man ganz einfach rausreißen. Es ist keine tragende Wand, auch keine dicke, einfach nur eine Wand. Die man hier nie hätte hochziehen sollen. Ich verstehe nicht, warum das Ganze hier nicht von Anfang an offen gelassen wurde.«
    »Joe?«
    Er ging aus dem Haus und geradewegs in die Scheune. Auf dem Herd köchelte die Rote Bete aus unserem Garten, dümpelte in der roten Flüssigkeit. Joe kam mit einer Axt zurück.
    »Joe, was hast du vor?«
    »Geh mit den Kindern zum Spielen nach draußen. Wir alle brauchen Licht. Wir brauchen Platz. Wir brauchen Luft.«
    »Ist alles okay?« Er wirkte nicht wie ein Mann, der einfach so beschlossen hatte, sein Haus umzugestalten. Er lächelte zwar, doch seine Lippe zuckte, und in seinen glänzenden Augen lag ein herausfordernder Blick. Eine Sekunde lang überkam mich eiskalte Angst – wir waren erst seit etwa einem Monat zusammen, und ich dachte:
Okay, jetzt wird mein liebevoller Freund also zum Axtmörder
. Aber dann sah ich Tränen in seinen Augen, und sein Gesicht wirkte sehr verletzlich. Er hatte die Axt wie einen Baseballschläger genommen, mit voller Wucht gegen die Wand geschlagen und ein großes Loch in den Verputz gehauen.
    »Daddy!«, hatte Annie vom Flur aus gerufen.
    »Geh mit den Kindern nach draußen.

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