Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
aufgenommen werden. Dann waren die schwarzen Mädchen an der Reihe. Sechs von ihnen waren an der Nelson High Cheerleaderinnen der ersten Mannschaft gewesen, und sie waren echt gut. Sie traten kess auf, schwenkten die Hüften und schüttelten den Kopf, fast so, als würden sie tanzen, und ich fragte mich, ob das im Vergleich zu den weißen Mädchen gut oder schlecht für sie war.
Die Ergebnisse wurden einige Tage später ausgehängt, und Ruth hatte es tatsächlich ins Team geschafft. Ebenso zwei von den schwarzen Mädchen. Als ich die Wyatts besuchte, um Ruth zu gratulieren, verpasste sie mir wieder eine dicke Wyatt-Umarmung. Die Leute auf dem Hügel waren überglücklich, dass eine von ihnen es endlich ins Cheerleader-Team geschafft hatte, verriet mir Tante Al. Die Auswahl der Trainerin hatte aber auch für einigen Unmut gesorgt. Manche Weiße in Byler waren bereit gewesen, eine schwarze Cheerleaderin hinzunehmen, aber zwei waren ihnen zu viel. Andererseits fanden die Nelson-Schüler, sie hätten mindestens drei Plätze im Team bekommen müssen, weil sie jetzt die Hälfte der Schule ausmachten und wichtige Spieler für die Footballmannschaft geliefert hatten. Ein schwarzes Mädchen und ein weißes Mädchen hatten sich deswegen vor der Apotheke in die Haare gekriegt.
»Ich weiß wirklich nicht, was das für das kommende Schuljahr verheißt«, sagte Tante Al.
Tante Al war dabei, eine Schüssel Käsecreme für Sandwiches anzurühren, als Onkel Clarence zur Haustür hereinkam, eine Papiertüte mit einer Flasche darin in der Hand. Er grinste übers ganze Gesicht und machte ein paar krummbeinige Tanzschrittchen. Er küsste Tante Al und seine Kinder und umarmte mich, und dabei redete er die ganze Zeit im Tonfall eines Predigers, wollte wissen, wie wir uns denn an diesem herrlichen Tag fühlten, schwärmte von der Schönheit seiner Tochter und davon, dass der Hügel nun endlich seine eigene Cheerleaderin bekommen hatte. »Das ist ein Grund zum Feiern. Lasst uns feiern! Wir brauchen Musik. Her mit meiner Gitarre!«
Joe brachte eine uralte Gitarre, die an manchen Stellen ganz schwarz und abgenutzt war, weil seit vielen, vielen Jahren auf ihr gespielt wurde. Onkel Clarence trank einen großen Schluck aus der Flasche, nahm dann die Gitarre und fing an zu spielen, wie ich das noch nie gehört hatte. Er schien gar nicht darüber nachzudenken, was er da machte. Er zupfte und klimperte und haute in die Saiten, fast so, als wäre er in Trance, als würde die Musik aus ihm rausströmen.
Ich war sprachlos. Dieser ausgelassene, tanzende Gitarrenspieler war nicht der Onkel Clarence, den ich kannte.
»Es gibt streitsüchtige Betrunkene, und es gibt traurige Betrunkene«, sagte Tante Al. »Wenn mein Clarence trinkt, wird er munter. Er ist ein tanzender Betrunkener.«
Die übrigen Wyatts begannen zu klatschen und zu rufen und zu tanzen, und ich machte mit. Wir umkreisten Onkel Clarence, der so schnell spielte, dass ich seine Hände nicht mehr deutlich sehen konnte. Dann warf er den Kopf in den Nacken und johlte los.
24
D oris’ Schwangerschaft schritt voran, und Ende August sagte Mr Maddox mir eines Tages, dass sie einen Arzttermin habe. Liz sollte im Haus bleiben, um ans Telefon zu gehen, aber ich sollte mitkommen, um auf den kleinen Randy aufzupassen, während der Arzt Doris untersuchte.
Mr Maddox hatte Doris ihre Klamotten zurückgegeben, schon wenige Tage nachdem ich sie im Wagen hatte verstauen müssen, und sie trug eines ihrer geblümten Hängekleider. Er sagte ihr, sie solle sich mit dem Baby hinten in den Le Mans setzen, und ließ mich vorne neben ihm sitzen. Er trat aufs Gas, und der Wagen schoss mit quietschenden Reifen aus der Einfahrt. Wir mussten nur zu einer ganz normalen Routineuntersuchung, und wir waren nicht mal spät dran, aber Mr Maddox fuhr wie ein Besessener, raste so schnell durch die Kurven, dass man gegen die Tür flog, fuhr den Autos vor uns fast hintendrauf, überholte an Stellen, wo Überholverbot war, und schimpfte die ganze Zeit ununterbrochen über diese unfähigen Trottel und Idioten, die ihn behinderten.
Ungefähr auf halbem Weg zum Krankenhaus bog Mr Maddox auf einen Parkplatz vor einem Lebensmittelladen. »Ich hol Chips und Limo für alle«, erklärte er. »Was wollt ihr haben?«
»Entscheid du das, Liebling«, sagte Doris.
»Ich möchte Orangenlimo«, sagte ich. »Nehi, Orange Crush oder Fanta, ist egal. Und Käseflips. Aber nicht die dicken, gebackenen. Ich möchte die knusprigen,
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