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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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machen?«
    »Das kann nicht so lose rumfliegen, wenn ihr Cheerleaderinnen werden wollt«, sagte Ruth und öffnete ein Schmuckkästchen, in dem Haarspangen und -gummis lagen. Sie sah sie sorgfältig durch, suchte ein paar Gummis und Spangen heraus, die zu meinem blauen T-Shirt passten, und dann welche in der Farbe von Liz’ gelben Shorts. Sie kämmte mein Haar nach hinten und band es so fest zu einem Pferdeschwanz zusammen, dass ich das Gefühl hatte, mir würden die Augenbrauen hochgezogen. Dann wandte sie sich Liz zu, deren rotblondes Haar dick und wellig war und ihr bis tief in den Rücken fiel.
    »Ich trage sonst nie Pferdeschwanz«, sagte Liz.
    »Wirst du aber, wenn du Cheerleaderin bist«, sagte Ruth.
    Sie zog auch Liz das Haar straff zu einem Pferdeschwanz nach hinten und steckte die wenigen losen Löckchen mit Spangen fest. Ohne ihr üppiges wallendes Haar sah Liz’ Gesicht kleiner und ein wenig verloren aus. Sie betrachtete sich selbst in dem Spiegel im Deckel des Schmuckkästchens. »Irgendwie bin ich das nicht.«
    »Du siehst richtig süß aus«, sagte Ruth. »Schön adrett und proper.«
     
    Kurz darauf stand eine Gruppe von acht Mädchen bei den Wyatts vor der Tür. Auf Ruths Anweisung hin stellten wir uns auf der Straße in einer Reihe auf. Ruth nahm ihre Katzenaugenbrille ab und legte sie auf die Eingangsstufe. Sie sagte, sie würde ohne sie trainieren, auch wenn sie dann kaum was sehen konnte, aber mit einer Kassenbrille wären die Chancen, es je ins Cheerleader-Team zu schaffen, nun mal gleich null. Ohne die hässliche Brille sahen Ruths dunkle Augen groß und schön aus, aber sie blinzelte andauernd.
    Ruth platzierte sich vor uns. Sie kannte die Texte für alle Anfeuerungsgesänge, und sie kannte sämtliche Schrittfolgen, sogar mit Namen. Sie führte uns den Adler vor, den Russensprung, den Kerzenständer, den Spieß und den Pfeil-und-Bogen, und dabei rief sie die verschiedenen Namen mit lauter, energischer Stimme. Ich war immer ein bisschen unkoordiniert gewesen, aber ich gab mein Bestes, und ehrlich gesagt, es machte echt Spaß. Liz dagegen war gleich von Anfang an nur halbherzig bei der Sache, wedelte schwach mit der Hand, wenn sie den ganzen Arm hätte schwenken müssen, und das bisschen Begeisterung, mit der sie angefangen hatte, ließ mehr und mehr nach, bis sie schließlich aufgab und sich vor die Haustür der Wyatts setzte.
    Zum Schluss zeigte uns Ruth den Radspagat, der bei einigen Tanzeinlagen den krönenden Abschluss bildete. Er sei schwierig, aber notwendig, erklärte sie, wenn man ins Team aufgenommen werden wollte. Bis auf Liz versuchte es nacheinander jede von uns, aber so koordiniert und gelenkig wie Ruth war keine, und sie kriegten die Beine weder hoch noch in den Spagat. Als ich an der Reihe war, stellte sich Ruth neben mich, packte meine Taille, als ich aus der Raddrehung kam, und ließ mich dann behutsam zum Spagat auf den Boden.
    »Gut gemacht, Bean!«, sagte sie. Sie drehte sich zu Liz um. »Komm, lass den Kopf nicht hängen«, rief sie. »Übung macht den Meister. Kommt morgen wieder, dann trainieren wir weiter.«
    »Klar«, sagte Liz. Sie fing an, die Spangen und das Haargummi herauszuziehen.
    »Die kannst du behalten. Fürs nächste Mal«, sagte Ruth.
    »Wir können uns selbst welche besorgen«, sagte Liz. »Falls wir welche brauchen.«
    Ich war nicht daran gewöhnt, Pferdeschwanz zu tragen, aber es gefiel mir. Irgendwie fühlte ich mich damit fit und stark. Aber da Liz mich nun mal in ihre Antwort mit eingeschlossen hatte, dachte ich, ich sollte meine Spangen und das Gummiband lieber zurückgeben, und zog sie mir aus den Haaren. »Onkel Tinsley hat einen ganzen Haufen Gummibänder auf seinem Schreibtisch«, sagte ich. »Die kann ich nehmen.«
    Die anderen Mädchen spazierten die Straße hinauf davon, und Ruth ging ins Haus, um Tante Al weiter beim Einmachen zu helfen. Liz und ich tranken einen Schluck aus dem Wasserschlauch im Garten der Wyatts und stiegen dann auf unsere Fahrräder.
    »Dann willst du also jetzt Cheerleaderin werden?«, fragte sie.
    »Vielleicht. Stört dich das?«
    »Dieses ganze Hipp-hipp-hurra-Getue. Das ist doch entsetzlich.«

22
    A ls wir wenige Tage nach dem Cheerleader-Training  wieder zur Arbeit erschienen, schob Mr Maddox uns in sein Büro und schloss die Tür. Er reichte jeder von uns ein kleines Büchlein mit einem blauen, lederähnlichen Einband, auf dem in schickem Golddruck die Worte BYLER NATIONAL BANK standen.
    »Ich hab für jede von

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