Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
Vom Netzwerk:
euch ein Sparkonto eröffnet«, sagte er. »Und das sind eure eigenen Sparbücher.«
    Ich schlug meines auf. Ganz oben auf der ersten Seite stand JEAN HOLLADAY , und direkt daneben: JEROME T. MADDOX . Es gab Spalten mit den Überschriften »Einzahlung«, »Auszahlung«, »Zinsertrag« und »Saldo«. In der Einzahlungsspalte waren mit blauer Tinte 20 , 00  Dollar eingetragen, und derselbe Betrag stand auch in der Saldo-Spalte.
    Also, erklärte Mr Maddox, er könne unseren Lohn direkt von einem seiner Konten auf unsere Konten überweisen. Das wäre einfacher und rationeller und obendrein sicherer, weil das überwiesene Geld nicht verloren gehen oder gestohlen werden konnte. Auf diese Weise würden wir nicht nur Geld sparen, sondern auch noch Zinsen bekommen, wodurch wir unser Vermögen vergrößern würden, anstatt unseren Verdienst für Limos und Schallplatten zu verschleudern.
    Liz sah sich ihr Sparbuch genau an. »Das sieht alles sehr offiziell aus«, sagte sie.
    »Es ist ein Schritt ins Erwachsenenleben«, sagte Mr Maddox. »Wie den Führerschein machen. Da ihr Mädchen beide keinen Dad habt – und Tinsley Holladay trotz all seiner eventuellen Vorzüge in dieser Hinsicht keine große Hilfe ist –, bin ich bereit, euch zu zeigen, wie solche Dinge laufen. Willkommen in der wirklichen Welt!«
    »Es ist doch
mein
Sparbuch«, sagte ich, »wieso steht dann Ihr Name mit drin?«
    »Das sind Gemeinschaftskonten«, sagte Mr Maddox. Er müsse in der Lage sein, direkte Einzahlungen vorzunehmen. Er erwartete gar nicht, dass wir das alles wussten, weil wir ja noch nie ein Sparkonto gehabt hatten, aber so war das nun mal im Bankwesen. »Ich helfe euch damit, erwachsen zu werden und das System zu verstehen.«
    »Aber ich krieg mein Geld gern in bar«, sagte ich. Es machte mir Spaß, die abgegriffenen Scheine zu befingern, die schon durch Hunderte oder sogar Tausende andere Hände gewandert waren, das Auge über der Pyramide auf dem Eindollarschein zu betrachten und sich zu fragen, was zum Kuckuck es damit auf sich hatte, und die Unterschriften und Seriennummern und dieses komplizierte schnörkelige Zeug zu studieren. »Wenn das Geld in irgendeiner Bank weggeschlossen ist, kann ich es nicht anschauen und betasten und zählen«, sagte ich. »Ich will lieber Bares.«
    »Bargeld wird von klugen Investoren auch ›dummes Geld‹ genannt«, sagte Mr Maddox. »Es steckt einfach nur in deiner Tasche und verlockt dich, es für irgendwelchen Unsinn rauszuschmeißen. Es arbeitet nicht für dich. Du musst dein Geld für dich arbeiten lassen.«
    »Kann sein. Aber ich möchte es trotzdem lieber in bar haben.«
    »Du würdest Zinsen bekommen, Bean«, sagte Liz.
    »Na bitte, da benutzt jemand sein Köpfchen«, sagte er. »Und nicht bloß Zinsen, sondern sogar Zinsen auf die Zinsen. Zinseszins nennt man das.«
    »Mir egal. Ich will einfach mein Geld.«
    »Wie du willst. Aber so entscheiden sich nur Verlierertypen. Typisch Holladays.«

23
    I ch schaffte es nicht ins Cheerleader-Team.
    Zwei Wochen vor Schulbeginn fand das Vorturnen statt, und schon als ich in die Sporthalle kam, sah ich, wie todernst die anderen Mädchen das mit dem Cheerleading nahmen. Sie trugen die rot-weißen Farben der Byler High, sie hatten die Haare mit kleinen Spangen in Form einer Bulldogge, des Maskottchens der Schulmannschaft, festgesteckt, und manche hatten sich Bulldoggen auf die Wangen gemalt. Sie lockerten sich mit Dehnübungen, machten Handstand und Handstandüberschlag, die schwarzen Mädchen in einer Gruppe und die weißen Mädchen in einer anderen. Die weißen Mädchen beäugten mich misstrauisch. Die Trainerin des Cheerleader-Teams der zweiten Footballmannschaft schaute kaum hin, als ich an die Reihe kam. Sie schien bereits zu wissen, welche Mädchen sie aussuchen würde.
    Hinterher saß ich auf der Tribüne und sah mir das Vorturnen für das Team der ersten Mannschaft an. Drei Mädchen aus dem Team hatten ihre Drohung wahr gemacht und waren ausgeschieden, was bedeutete, dass es drei freie Plätze für die Mädchen vom Weberhügel und von der Nelson High gab.
    Ruth kam am späten Vormittag dran, und ich fand sie großartig. Sie hatte ihre Katzenaugenbrille abgenommen, was aber ihre Vorführung kein bisschen beeinträchtigte. Ihre Stimme war laut, ihre Schrittfolgen fehlerfrei, und sie war so gelenkig, dass alle hörten, wie ihre Oberschenkel auf den hölzernen Hallenboden klatschten, als sie zum Schluss den Radspagat machte. Sie musste einfach

Weitere Kostenlose Bücher