Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
schwer werden, mit wechselnden Klassenräumen, dicken Büchern und rätselhaften Fächern wie Algebra. Liz war die Schlaue von uns, nicht ich. Aber trotz der bedrohlichen Bezeichnungen wie Literatur und Textverständnis, Sozialkunde und Hauswirtschaftslehre war der Unterricht selbst kein Problem. Sozialkunde bestand eigentlich bloß aus Nachrichten mit ein bisschen Geschichte dabei. Und in Hauswirtschaftslehre – ein Pflichtfach für alle Mädchen der siebten Klasse – lernten wir als Erstes, wie man einen Tisch deckte. Messer rechts vom Teller, Schneide nach innen; Löffel daneben; Gabeln links vom Teller, in der Reihenfolge, wie sie benutzt werden sollten.
Unsere Lehrerin Mrs Thompson war eine große, gemächliche Frau mit gepudertem Gesicht und Ohrringen, die stets zu ihrer Halskette passten. Sie sagte, sie würde uns »Überlebenstechniken« beibringen, die jede Frau kennen sollte. Aber keiner würde daran sterben, wenn er den Löffel auf die linke Tellerseite legte. Die Jungs der siebten Klasse hatten Werkunterricht und durften viele interessante, nützliche Dinge lernen, zum Beispiel wie man einen Fahrradschlauch flickte, eine Lampe anschloss, ein Bücherregal baute. Als ich Mrs Thompson sagte, ich würde mir unter Überlebenstechniken eher vorstellen, einen Fahrradschlauch zu flicken, als einen Tisch zu decken, erwiderte sie, das wäre Männerarbeit.
Wir lernten noch nicht mal irgendwelche praktischen Dinge, wie man mit dem Haushaltsgeld hinkommt oder einen Knopf annäht oder so. Es ging bloß darum, wie man sich korrekt verhielt, wo das Wasserglas im Unterschied zum Saftglas stehen sollte und was für Miederwaren absolut unverzichtbar waren. Nicht um alles in der Welt hätte Mom einen Hüfthalter angezogen, und manche ihrer Freundinnen trugen keinen BH , aber Mrs Thompson redete dauernd davon, dass man den Körper einer Frau niemals unter ihrer Kleidung wackeln sehen dürfte, und deshalb sollten alle Frauen Hüft- halter tragen – eine unerlässliche Miederware –, und es sei eine Schande, dass in der heutigen Zeit so viele unserer Geschlechtsgenossinnen darauf verzichteten.
Ich fand das alles total langweilig und hörte irgendwann gar nicht mehr zu. Den ersten Test hätte ich dann auch vergeigt, wenn Mrs Thompson nicht gesagt hätte, sie würde uns Bonuspunkte für jedes Küchenutensil geben, das wir nennen konnten. Die meisten Mädchen gaben nur fünf oder sechs an, aber ich legte mich mächtig ins Zeug und nannte alles, wirklich alles, was mir einfiel, von Pizzaschneidern über Käsereiben zu Nussknackern, von Sektquirlen über Schälmesser zu Nudelrollen. Am Ende hatte ich siebenunddreißig.
»Das ist eigentlich nicht richtig«, sagte Mrs Thompson, nachdem sie die Noten verteilt hatte. »Du bist eine meiner schlechtesten Schülerinnen, aber du hast am besten abgeschnitten, bloß aufgrund deiner Bonuspunkte.«
»Ich hab die Regeln nicht gemacht«, sagte ich.
Kurz nach dem ersten Test erfuhr ich, dass man einen Tag pro Woche von Hauswirtschaftslehre befreit werden konnte, wenn man dem Pep-Team beitrat. Also beschloss ich, mich freiwillig zu melden, obwohl ich keine Ahnung hatte, was dieses Pep-Team war. Wie sich herausstellte, bestand unsere Aufgabe darin, die Cheerleaderinnen dabei zu unterstützen, das Publikum schon am Freitagnachmittag auf der »Pep Rally«, der großen Auftaktveranstaltung vor einem Footballspiel, so richtig in Stimmung zu bringen, und dann noch mal abends während des Spiels. Wir bastelten auch aus einem Besenstiel, den wir bemalten und mit Bulldogs-Schnickschnack beklebten, den sogenannten Spirit Stick, der an die Klasse verliehen wurde, die auf der Pep Rally die meiste Begeisterung an den Tag legte, und wir pinselten die Plakate, die vor jedem Spiel in den Fluren aufgehängt wurden.
Bylers erstes Spiel in diesem Jahr war gegen die Big Creek Owls, die eine Eule als Maskottchen hatten. Als wir in der Sporthalle zusammenkamen, sagte Terri Pruitt, die Zwölftklässlerin, die das Pep-Team leitete, wir müssten uns für die Plakate Sprüche zum Thema Eulen einfallen lassen. Ich erzählte Liz davon, und sie ratterte gleich eine Reihe richtig gute Eulen-Wortspiele und Reime runter, die wir verwenden konnten – »Rupft die Eulen«, »Verpasst den Eulen Beulen«, »Mit den Keulen auf die Eulen«, und am besten war: »Bulldoggen beißen, Eulen heulen.«
»Komm du doch auch ins Pep-Team«, sagte ich zu Liz. »Du wärst super.«
»Ich glaube nicht«, sagte sie. »Das
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