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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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anderen auf, schwenkten die Arme und reckten die Fäuste. Ein Junge stand auf und schrie: »Zeig’s ihnen, Neon!« Ich grinste bloß und schwenkte die Arme noch ausladender, und ich gebe zu, ich war verdammt stolz, als wir den Spirit Stick gewannen.
     
    Das Spiel fing am frühen Abend an. Das Flutlicht rund um das Footballfeld war eingeschaltet worden, obwohl es eigentlich noch hell war. Ein heißer Wind wehte über das Spielfeld, und am silbrigen Himmel hing ein Halbmond.
    Die ganze Familie Wyatt war früh da, um möglichst gute Plätze zu ergattern, weil sie Ruth anfeuern wollten. Joe, der Earl auf dem Arm hatte, winkte mir zu. Liz würde nicht kommen – sie sagte, sie wäre derselben Meinung wie Mom, Football war barbarisch –, aber Onkel Tinsley kam. Er trug einen grauen Filzhut und ein altes rot-weißes Bulldogs-Trikot mit einem großen
B
drauf. Ich stand mit dem Pep-Team an der Seitenlinie, und er kam zu mir rüber. »Jahrgang 1948 «, sagte er. »Wir haben damals alle weggeputzt.« Er zwinkerte mir zu. »Macht sie fertig, Bulldogs!«
    Die Ränge füllten sich rasch, und genau wie in der Schulcafeteria saßen die Weißen und Schwarzen getrennt voneinander. Nachdem die Band aufs Feld marschiert war, wurden die Spieler der Bulldogs einzeln vorgestellt und kamen aufs Feld gelaufen, wenn ihr Name aufgerufen wurde. Die weißen Fans bejubelten die weißen Spieler, aber bei den schwarzen Spielern, die vorher auf der Nelson High gewesen waren, blieben sie ziemlich still. Umgekehrt jubelten die schwarzen Zuschauer für die schwarzen Spieler, aber nicht für die weißen.
    Als die Owls aufs Feld kamen, bejubelten ihre Fans die ganze Mannschaft, aber die Owls hatten auch nur einen schwarzen Spieler. Vor dem Spiel war viel darüber geredet worden, dass die Owls eigentlich immer ziemlich schwach gewesen waren. Aber Big Creek war eine Kleinstadt oben in den Bergen, wo kaum Schwarze lebten, und deshalb hatte die Mannschaft nicht so große Probleme mit der Integration, wie Byler sie derzeit erlebte.
    Zu Beginn des Spiels war das Publikum ganz aus dem Häuschen, klatschte jedes Mal, wenn den Bulldogs ein guter Pass oder ein Tackling gelang, und buhte, wenn die Owls angriffen. An der Seitenlinie hüpften und sprangen die Cheerleaderinnen und schüttelten ihre Pompons, während das gesamte Pep-Team vor den Rängen auf und ab lief, die Menge aufstachelte und schrie: »Bulldoggen beißen, Eulen heulen!«
    Alle hatten einen Mordsspaß, und ich hatte nicht den Eindruck, dass man ein Barbar sein musste, um Spaß an dem Spiel zu haben. Aber im zweiten Viertel lagen die Bulldogs zwei Touchdowns zurück, und die Stimmung im Publikum schlug um. Ich verstand nicht viel von Football – die Regeln kamen mir unglaublich verwirrend vor –, aber ich wusste, dass wir dabei waren, zu verlieren. Während einer Auszeit fragte ich Ruth, was denn eigentlich los war. Die Bulldogs spielten nicht wie eine Mannschaft, erklärte sie. Dale Scarberry, der weiße Quarterback, warf den Ball immer nur den weißen Spielern zu, und die neuen schwarzen Spieler blockten nicht für ihre weißen Mannschaftskameraden. Falls das so weiterging, würden die Bulldogs ein Debakel erleben.
    Als Dale Scarberry einen Pass warf, der von einem Owls-Spieler abgefangen wurde, hörte ich verblüfft, dass die Byler-Fans – Schüler ebenso wie Erwachsene – anfingen, ihre eigene Mannschaft auszubuhen. Jedes Mal, wenn ein Bulldogs-Spieler einen Fehler machte, buhten sie erneut los. Und nicht nur das, sie riefen und schrien Sachen wie: »Du kannst besser furzen als werfen!«, »Idiot!«, »Runter vom Platz!«, »Du Vollniete!« und »Du hast doch Scheiße im Hirn!«.
    Die Owls punkteten erneut, und ab da wurde es richtig übel. Wir vom Pep-Team sprangen und hüpften noch immer herum und versuchten, die Leute wieder auf unsere Seite zu ziehen, als irgendwer eine Papiertüte mit Abfall aufs Feld warf. Ich flitzte hin, um sie aufzuheben, und als ich zurück zur Seitenlinie kam, sah ich, wie ein Weißer auf der Tribüne aufstand und einen Hamburger in Richtung von Vanessa Johnsons Schwester Leticia schleuderte, die gerade mit einem breiten Grinsen ihre Pompons über den Kopf hob. Der Hamburger klatschte ihr mitten auf die Brust und hinterließ einen Fettfleck auf ihrer hübschen rot-weißen Uniform.
    Leticia tat so, als wäre nichts passiert – sogar ihr Lächeln erstarb nicht –, und auch die anderen Cheerleaderinnen machten einfach weiter. Dann sprang ein anderer

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