Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
ist mir alles zu primitiv.«
Beim nächsten Treffen des Pep-Teams las ich Liz’ Slogans vor. Terri war ganz begeistert von »Bulldoggen beißen, Eulen heulen«. Sie sagte, wir könnten ein großes Spruchband machen, indem wir den Satz auf ein altes Laken sprühten und für die Pep Rally vor dem Spiel an die Sporthallenwand hängten. Sie wandte sich an Vanessa Johnson, das einzige schwarze Mädchen im Pep-Team, das außerdem auch in meinem Englischkurs war. »Vanessa, du kannst Bean helfen«, sagte Terri.
»Ich bin also die Hilfskraft«, sagte Vanessa. Sie war größer als die meisten Mädchen, hatte lange, athletische Arme und Beine. Diese Arme verschränkte sie langsam und starrte Terri an.
»Wir helfen uns alle gegenseitig, okay?«
Terri brachte uns das Laken und die Sprühfarbe und sagte, wir sollten damit nach draußen gehen. Während wir den Flur hinuntertrotteten, erklärte ich Vanessa, wir sollten die Worte zuerst mit Bleistift vorschreiben, damit wir sie auch schön gleichmäßig hinkriegten und nicht am Ende die Buchstaben zusammenquetschen mussten.
»Wer hat denn gesagt, dass du das Kommando hast?«, fragte sie.
»Das ist unfair«, sagte ich. »Das war bloß ein Vorschlag.«
Vanessa stemmte die Hände in die Hüften. »Unfair? Du willst mir was von fair und unfair erzählen? Unfair ist, wenn deine eigene Schule geschlossen wird und man dich zwingt, auf diese Weißbrot-Schule zu gehen.«
»Wieso denn? Ich dachte, die schwarzen Kinder wollten auf die weißen Schulen gehen. Ich dachte, das wäre der Sinn der Sache.«
»Warum sollte ich auf eine weiße Schule gehen wollen, wo wir unsere eigene hatten?« Auf der Nelson High hätten sie eine eigene Footballmannschaft gehabt, sagte Vanessa, ein eigenes Cheerleader- und Pep-Team, eigene Schulfarben, eigene Feste und Veranstaltungen. Die Familien der Nelson-Schüler waren stolz auf ihre Schule gewesen, und an Wochenenden waren sie regelmäßig gekommen, um die Schule zu putzen und auf Vordermann zu bringen. Manche Familien hatten sogar ihre Autos in den Schulfarben angemalt, Silber und Lila. Aber jetzt mussten die Nelson-Schüler diese Farben aufgeben. Und sie wussten, dass keiner von ihnen auf der Byler High jemals zum Klassensprecher ernannt oder zur Schönheitskönigin gewählt oder zum »hoffnungsvollsten Absolventen« erklärt werden würde. Byler würde niemals ihre Schule werden.
»Wenn du das so siehst, wieso machst du dann beim Pep-Team mit?«
»Ich bin nicht ins Cheerleader-Team gekommen, obwohl ich besser war als das weiße Mädchen, das es geschafft hat«, sagte sie. »Aber das heißt nicht, dass ich jetzt bloß auf der Tribüne hocke und zugucke.« Ihre Schwester Leticia sei eine der beiden Nelson-Cheerleaderinnen, die für das Byler-Team ausgewählt worden wären, erklärte sie. Vanessa sagte, sie würde zu jedem Spiel gehen, Leticia zujubeln und die Nelson-Jungs im Byler-Team anfeuern. Dann sah sie mir direkt in die Augen. »Und ich gebe nicht auf. Nächstes Jahr schaffe ich es ins Cheerleader-Team.«
Ich hielt das Laken hoch. »Dann sollten wir wohl endlich mit dem Spruchband anfangen.«
»Da kriegt das Weißbrot rote Bäckchen«, sagte sie und lächelte zum ersten Mal.
27
A m Samstag danach war ich bei den Maddox im Keller und faltete Wäsche, als Mr Maddox mit seiner typischen Leichtfüßigkeit, die für einen so massigen Mann ungewöhnlich war, die Treppe herunterkam.
»Immer eifrig bei der Sache«, sagte er. »Das gefällt mir. Wer für mich arbeitet, muss immer eifrig sein.«
»Danke«, sagte ich. »Die großen Sachen hab ich schon gefaltet, jetzt suche ich die passenden Socken zusammen.«
Mr Maddox hob den Arm und stützte sich an der Kellerwand ab. Er stand dicht vor mir, und ich fühlte mich ein bisschen in die Enge gedrängt. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Und außerdem roch ich seinen Körper. Er stank nicht, aber ich war nicht daran gewöhnt, einem erwachsenen Mann so nahe zu sein, und sein Geruch erinnerte mich an Schweiß und Arbeit, Muskeln und Fleisch. Es war nicht unangenehm, bloß leicht beunruhigend.
»Es gibt noch was anderes, was mir an dir gefällt«, sagte er, »nämlich, dass du keine Angst vor mir hast. Ich bin ein großer Kerl, und ich weiß, es macht manche Leute nervös, wenn ich so dicht vor ihnen stehe.«
»Nee«, sagte ich, »mich nicht.«
»Nein«, sagte er. »Du bist nicht bange.« Er hob die rechte Hand, die er auf die Hüfte gestemmt hatte, und legte sie mir auf die Schulter. Es
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