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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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Weißer auf, den ich schon mal auf dem Hügel gesehen hatte, und bewarf Leticia mit einem großen Becher voll Eiswürfeln und Cola. Er traf sie an der Schulter, der Deckel flog ab, und Cola ergoss sich über ihre Uniform. Leticia tanzte weiter, warf die Beine und schwenkte die Arme so dynamisch wie zuvor, aber sie lächelte nicht mehr.
    Tante Al drehte sich um und sah die beiden weißen Männer an. »Heda, so was gehört sich nicht!«, rief sie.
    In dem Moment holte ein Schwarzer, der auf der Tribünentreppe stand, mit einem Becher Limo aus, warf und erwischte Ruth an der Schulter. Die ganze Limo pladderte über ihre Uniform.
    Das war zu viel für Joe. Er sprang auf und wollte auf den schwarzen Werfer los, aber andere Schwarze stießen ihn um, ehe er ihn erreichen konnte. Ein paar weiße Fans hechteten über die Sitze, um Joe zu Hilfe zu eilen, und dann brach das totale Chaos aus. Überall schmissen Leute Getränke und Snacks, schrien, schlugen und prügelten aufeinander ein, Frauen schimpften und rissen an Haaren, Babys weinten und Kinder kreischten, ein Siebtklässler nahm den Spirit Stick und schlug ihn einem anderen Jungen auf den Kopf. Der Tumult endete erst, als Polizisten mit Schlagstöcken die Tribüne stürmten und die Kämpfenden trennten.
    Wir verloren das Spiel 6 : 36 .

29
    A m Montag in der Schule war das Spiel Gesprächsstoff Nummer eins. Einige weiße Schüler waren empört über die Schlägerei im Publikum und bezeichneten sie als blamabel und beschämend, aber sie machten die Integration dafür verantwortlich und sagten, so was passierte nun mal, wenn man Schwarz und Weiß vermischte. Das konnte nichts Gutes bringen. Manche schwarzen Schüler waren ebenso angewidert, obwohl sie sagten, der Krawall wäre nicht ihre Schuld, es hätte noch nie Schlägereien bei Nelson-Spielen gegeben, und sie hätten sich nur verteidigt. Die meisten Schüler waren nicht so sehr wegen der Prügelei aufgebracht, sondern wegen der katastrophalen Niederlage, die die Bulldogs hatten einstecken müssen, obwohl sie die Big Creek Owls normalerweise haushoch schlugen. Die Integration hätte die Mannschaft stärken sollen, sagten sie, und jetzt verlor sie sogar gegen diese Weicheier aus Big Creek.
    Der Direktor beschwor am Ende seiner morgendlichen Ansprache über die Lautsprecheranlage »gegenseitigen Respekt und schulische Einheit«. Aber erst im Englischunterricht nach der Mittagspause befasste sich mal eine Lehrkraft offen mit dem Thema.
    Meine Englischlehrerin, Miss Jarvis, war eine schmallippige junge Frau, die sich selbst am meisten für die Lektüre begeisterte, die sie mit uns im Unterricht behandelte. Sie erklärte, wir müssten darüber reden, was während des Spiels passiert war.
    »Die Weißen haben angefangen«, sagte Vanessa Johnson. »Einer von denen hat meine Schwester mit Cola beworfen.«
    »Bei den Spielen fliegt immer mal was rum«, sagte Tinky Brewster, ein Junge vom Hügel. »Ist mal wieder typisch, dass ihr da was Rassistisches draus macht.«
    »Mit gegenseitigen Beschuldigungen kommen wir nicht weiter«, sagte Miss Jarvis. »Ich würde gern von euch hören, was wir tun können, damit die Integration hier an der Byler High ein Erfolg wird.«
    Die weißen Schüler meldeten sich als Erste zu Wort und sagten, das Problem sei, dass die Schwarzen dauernd von Diskriminierung und Sklaverei redeten, obwohl die Schwarzen doch schon vor hundert Jahren befreit worden waren. Und die Schwarzen durften stolz drauf sein, dass sie schwarz waren, aber wenn man sagte, dass man stolz war, weiß zu sein, dann war das gleich rassistisch. Und wieso dürfen wir nicht das N-Wort benutzen, aber die dürfen uns Weißbrot nennen? Überhaupt, ihre Eltern hätten nie Sklaven besessen, sagten einige Kinder vom Weberhügel. Im Gegenteil, erklärten sie, ihre Ururgroßeltern waren größtenteils Schuldknechte und -mägde gewesen, aber darüber, dass die Iren versklavt worden waren, beschwerte sich nie einer. Ich sah mich schuldbewusst um und rechnete jeden Moment damit, dass einer die alte Baumwollplantage der Holladays erwähnen würde. Aber keiner tat es, und ich würde ganz sicher nicht davon anfangen.
    Die Sklaverei mochte ja vor hundert Jahren abgeschafft worden sein, erwiderten die schwarzen Schüler, aber bis vor kurzem durften sie nicht im Bulldog Diner essen, und selbst heute noch ernteten sie böse Blicke, wenn sie es taten. Erst vor wenigen Jahren hatte Holladay Textiles die ersten Schwarzen eingestellt, und sie bekamen noch

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