Die Angst der Woche
bestand. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Entwarnung gegeben ⦠Dioxin sei in allen Lebensmitteln enthalten. Die Auswertung Hunderter Ei- und Schweinefleischproben im Zuge des Skandals um dioxinverseuchtes Futtermittel habe ergeben, dass nur in wenigen Fällen die gesetzlichen Höchstgrenzen überschritten wurden.«
Ãhnlich die Süddeutsche Zeitung am 27. Januar: »Die in Eiern und Schweinefleisch festgestellte erhöhte Konzentration des Umweltgiftes war höchstwahrscheinlich ungefährlich, wie die Wissenschaftler am Mittwoch auf der Grünen Woche mitteilten ⦠Bei Milchprodukten und Geflügelfleisch seien keine Ãberschreitungen festgestellt worden. Auch bei der gemessenen Ãberschreitung der Grenzwerte liege keine Gesundheitsgefahr vor ⦠Das gelte selbst, wenn jemand ein Jahr lang täglich zwei Eier mit der höchsten festgestellten Dioxinbelastung gegessen habe. Die Konzentration des Umweltgiftes im Körperfett erhöhe sich dadurch zwar, bleibe aber weit unterhalb des kritischen Werts.«
Vorhang zu.
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Mit fast identischer Handlung, aber anderen Akteuren lief das gleiche Stück auch schon acht Jahre früher, im Jahr 2002, damals unter dem Titel »Der groÃe Nitrofenskandal«. Es begann auf einem Ãkohühnerhof in Niedersachsen. Der hatte nitrofenbelastetes Getreide aus der ehemaligen DDR gekauft, dort war dieser hochgiftige Unkrautvertilger noch lange nach seinem Verbot im Westen in Gebrauch gewesen. Sehr schnell findet man auch auf weiteren Ãkohöfen Nitrofen im Hühnerfutter. Der Verkauf von Fleisch und Eiern aus den betreffenden Betrieben wird gestoppt, NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn sperrt vorsorglich zwei Ãkohöfe ganz.
Das war Mitte Mai. Zwei Tage später stellen auch Ãkobauern in Mecklenburg-Vorpommern ihre Auslieferungen ein. Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast nennt das Ganze einen »ungeheuerlichen Vorgang« und droht Sanktionen an. Niedersachsens Agrarminister Uwe Bartels (SPD) spekuliert, es könnten insgesamt mehr als 100 Betriebe betroffen sein.
Und so ging es weiter (Quelle: FAZ ):
27. Mai: Ministerin Künast muss zugeben, dass staatliche Prüfer schon Monate vorher Nitrofen im Fleisch gefunden hatten. In Niedersachsen sind, wie vom Ministerium vorhergesagt, über 100 Betriebe betroffen, mehrere Hundert Tonnen belastetes Putenfleisch werden konfisziert. »In Brandenburg ermittelt die Staatsanwaltschaft, in Mecklenburg-Vorpommern werden drei Ãkohöfe gesperrt.«
28. Mai: Auch in Nordrhein-Westfalen werden Ãkohöfe gesperrt. Nach Ministerin Künast können auch traditionell bewirtschaftete Bauernhöfe betroffen sein.
29. Mai: In Niedersachsen haben über 300 000 Tiere von dem Giftfutter gefressen, neben Hühnern auch Schweine und Rinder. In Nordrhein-Westfalen steigt die Zahl der gesperrten Betriebe auf zehn. Auch in Mecklenburg-Vorpommern wird nitrofenbelastetes Tierfutter gefunden. Ministerin Künast fordert harte Strafen für die Verursacher.
30. Mai: Union und FDP fordern umgekehrt den Rücktritt der Ministerin. Bund und Länder richten Arbeitsgruppen zur Aufklärung der Lage ein.
31. Mai: Nitrofen nun auch in Ãkoeiern in Sachsen-Anhalt. In Nordrhein-Westfalen findet man Nitrofen in Fleisch.
1. Juni: In Malchin in Mecklenburg-Vorpommern wird eine mit Nitrofen verseuchte Lagerhalle entdeckt, von der Ãkogetreide ausgeliefert worden ist. Sachsen-Anhalt sperrt zwei Saatgutbetriebe wegen Nitrofenverdacht.
3. Juni: Der Skandal greift auch nach Sachsen über. Mecklenburg-Vorpommern richtet eine Sonderkommission des Landeskriminalamts ein.
4. Juni: Ein norddeutscher GroÃbetrieb hat fast 100 Kunden in Deutschland und drei Nachbarstaaten mit nitrofenverseuchtem Fleisch beliefert. Auch in Baden-Württemberg werden nitrofenbelastete Eier entdeckt.
5. Juni: Der Agrarausschuss des Bundestags beschlieÃt eine Ãnderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes. Künftig müssen Unternehmen von sich aus den Behörden sofort melden, wenn ein von ihnen in den Verkehr gebrachtes Lebensmittel nicht den amtlichen Bestimmungen entspricht.
9. Juni: Neben der ominösen Lagerhalle in Malchin gibt es keine weiteren Quellen für Nitrofen. Lieferungen anderer Herkunft sind unbedenklich. Aber auch die »verseuchten« Produkte waren nie wirklich gefährlich,
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