Die Angst der Woche
versagt haben. In welchem Land leben wir denn, wo man Verbrechen dieser Art offenbar verharmlost. Unglaublich.«
»Einfach Knast!! ⦠50 Jahre Haft, und nach 49 Jahren wird über Bewährung gesprochen!! Ganz einfach! Oder?«
»Wann werden solche schmutzigen Verbrechen endlich mal aufs Härteste bestraft? Das sind die Folgen einer neoliberalen, irrsinnigen Politik. Liberalisierung der Märkte: Zocken und bescheiÃen, mit freundlicher Unterstützung von Frau Merkel. und ihrem Gefolge. Das Volk zahlt die Zeche, wenn nicht mit Geld, mit seiner Gesundheit.«
»Diese Menschen gehören ins Gefängnis ⦠Egal ob Dioxin im Futter oder Pilze aus Tschernobyl. Es sind Verbrecher an der Menschheit und sollte ebenso hart bestraft werden.«
»Es wird Zeit, dass sich grundlegend etwas in diesem Land ändert! Zeit für eine neue Zukunft! Merkel & Co interessiert nur ihr Status in der Welt und eine möglichst lange Regierungszeit.«
»Wir werden betrogen, abgezockt und unsere Regierung macht Gesetze nur für die Konzerne.«
»Eines Tages wird sich das Volk erheben gegen solche Verbrecher.«
Exempel statuieren, Vermögen einziehen, Schnellverfahren â haben wir das nicht schon mal gehört?
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Akt 4 (Die Stunde der Politik): Auch bei den verantwortlichen Politikern setzt das Denken aus bzw., was noch schlimmer ist, man läuft, wohl wissend, dass man Unsinn redet, der Wählermehrheit hinterher, und schlieÃt sich der verbalen Gewaltorgie gegen die Futtermittelproduzenten an. » Härteste Bestrafung und die Zerschlagung oder Enteignung der verantwortlichen Firmen« fordert der Geschäftsführer des Bauernverbandes Nordharz. »Schonungslose Aufklärung« fordert die brandenburgische Verbraucherschutzministerin Anita Tack, und »härteste Bestrafung der Verbrecher« verlangt Bernd Busemann, der Justizminister in Niedersachen, natürlich ohne eine Untersuchung abzuwarten. »Hier muss die Justiz hart durchgreifen« (Landwirtschaftsministerin Aigner), »Lebensmittelvergifter ins Gefängnis!« (der bayrische Umweltminister Markus Söder), legen CSU-Politiker nach. Indem man dem Volkszorn populistisch entgegenkommt, rechtfertigt man ihn noch.
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Akt 5 (Abgesang): Alles stellt sich als heillose Ãbertreibung heraus. Die erlaubten Höchstwerte von 3 Billionstel Gramm Dioxin pro Gramm Fett im Ei oder 1 Billionstel Gramm (1 Pikogramm) pro Gramm Fett im Schwein zum Beispiel wurden hie und da überschritten, aber reale Gefahren für Gesundheit, Leib und Leben waren nie vorhanden. Denn diese Grenzwerte liegen, wie wir in Kapitel 3 gesehen haben, weit unterhalb jeder Gefahrengrenze. Wie man weiter von Anfang an hätte wissen können oder sollen, war während der ganzen Zeit in regulär vermarkteten Ostseefischen pro Gramm weit mehr Dioxin enthalten als in den am schlimmsten »verseuchten« Eiern. Für Lachs, Makrele und Heilbutt erlaubt die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel Werte von 2 bis 3 Billionstel Gramm pro Gramm Frischgewicht, für Aale sogar 12 Billionstel Gramm, und dieser ganz legale Grenzwert wird in der Praxis oft weit überschritten, ohne dass irgendjemand sich darüber aufregt.
Im Bundesdurchschnitt enthält ein Gramm Fisch 27 Billionstel Gramm Dioxin. Ganz allgemein darf ein fetter Fisch 40-mal mehr Dioxin enthalten als ein mageres Schweinefilet, ohne dass dies als illegal gebrandmarkt würde.
Und so wurde die Hetzjagd nach vier Wochen wieder abgeblasen.
In diesen vier Wochen der Dioxinpanik wurden in Deutschland (ich extrapoliere hier einmal die Zahlen vom Januar 2009) 32 Menschen ermordet, 296 von Autos totgefahren, 740 fielen im Haushalt von der Leiter und brachen sich das Genick (oder kamen bei anderen häuslichen Unfällen ums Leben), 46 starben an verschluckten Fischgräten und Schinkenscheiben, je 14 durch Ertrinken (im Januar!) und Erfrieren, 30 an Verbrennungen, mehrere Hundert durch Unfälle bei der Arbeit, von den jeweils über 20 000 frühzeitigen Todesfällen durch Alkohol und fettes Essen allein in den ersten vier Wochen des Jahres gar nicht erst zu reden.
Selbst die Frankfurter Rundschau sah sich zu folgender Klarstellung gezwungen: »Wochenlang hat der Dioxinskandal Verbraucher, Bauern und Politik in Atem gehalten. Nun zeichnet sich immer deutlicher ab, dass wohl keine Gefahr
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