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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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Schüler erzählt, der von einem Zollwachebeamten kurz vor der Grenze tot aufgefunden worden sei. Und vor dem Schüler hatte er an den Ball gedacht, der kurz vor der Linie aufgesprungen war. Und vor dem Gedanken an den Ball hatte er auf der Straße das Marktweib von ihrem Schemel aufspringen und einem Schüler nachlaufen sehen. Und dem Marktweib war ein Satz in der Zeitung vorausgegangen:›Der Tischlermeister wurde bei der Verfolgung des Diebes dadurch behindert, daß er noch seine Schürze umhatte.‹ Den Satz in der Zeitung aber hatte er gelesen, als er daran dachte, wie ihm bei einer Schlägerei der Rock hinten über die Arme gezogen wurde. Und auf die Schlägerei war er gekommen, als er mit dem Schienbein schmerzhaft an den Tisch gestoßen war. Und davor? Es fiel ihm nicht mehr ein, was ihn dazu gebracht hatte, mit dem Schienbein an den Tisch zu stoßen. Er suchte in dem Vorgang einen Anhaltspunkt für das, was davor gewesen sein könnte: hatte es mit der Bewegung zu tun? Oder mit dem Schmerz? Oder mit dem Geräusch von Tisch und Schienbein? Aber es ging nicht weiter zurück. Dann erblickte er vor sich in der Zeitung das Foto einer Wohnungstür, die man, weil eine Leiche dahinter lag, hatte aufbrechen müssen. Mit dieser Wohnungstür also, dachte er, hatte es angefangen, bis er sich dann bei dem Satz ›Er war zu lange unbeschäftigt gewesen‹ wiedergefunden hatte.
    Eine Zeitlang war es dann gutgegangen; die Lippenbewegungen der Leute, mit denen er sprach, stimmten mit dem überein, was er von ihnen hörte; die Häuser bestanden nicht nur aus Vorderseiten; von der Laderampe der Molkerei wurden schwere Mehlsäcke in den Lagerraum geschleppt;wenn jemand weit unten an der Straße etwas rief, hörte es sich wirklich so an, als käme es von dort unten; die Leute, die auf dem gegenüberliegenden Gehsteig vorbeigingen, schienen für das Vorbeigehen im Hintergrund nicht bezahlt zu werden; der Bursche mit dem Heftpflaster unter dem Auge hatte eine echte Blutkruste; und der Regen schien nicht nur im Vordergrund des Bildes niederzugehen, sondern im ganzen Gesichtskreis. Bloch fand sich dann unter dem Vordach einer Kirche. Er mußte durch eine Seitengasse hierhergeraten sein und sich unter das Dach gestellt haben, als es zu regnen anfing.
    In der Kirche drinnen, das fiel ihm auf, war es heller, als er gedacht hatte. So konnte er, nachdem er sich gleich in eine Bank gesetzt hatte, über sich das Deckengemälde anschauen. Nach einiger Zeit erkannte er es wieder: es war in dem Prospekt, der in allen Zimmern des Gasthofs herumlag, abgebildet gewesen. Bloch, der ein Blatt eingesteckt hatte, weil darin auch die Ortschaft und ihre Umgebung mit Straßen und Wegen skizziert waren, zog den Prospekt heraus und las, daß an Vorder- und Hintergrund des Gemäldes verschiedene Maler gearbeitet hatten; die Figuren im Vordergrund seien schon lange fertiggestellt gewesen, als der andere Maler noch immer den Hintergrund ausgemalthabe. Bloch schaute von dem Blatt in das Gewölbe hinauf; die Figuren, weil er sie nicht kannte – es handelte sich wohl um irgendwelche Gestalten aus der Biblischen Geschichte –, langweilten ihn; trotzdem war es angenehm, während es draußen immer heftiger regnete, hinauf in das Gewölbe zu schauen. Das Gemälde erstreckte sich über die ganze Kirchendecke hinweg; der Hintergrund stellte einen ziemlich unbewölkten, fast gleichförmig blauen Himmel dar; hier und da sah man ein paar Schäferwolken; an einer Stelle, ziemlich weit über den Figuren, war ein Vogel gemalt. Bloch schätzte, wie viele Quadratmeter der Maler hatte ausmalen müssen. Ob es schwierig gewesen war, so gleichmäßig blau zu malen? Es handelte sich um ein Blau, das so hell war, daß man die Farbe wohl mit Weiß hatte mischen müssen. Und wenn man sie mischte, hatte man darauf zu achten, daß der Blauton sich nicht von Maltag zu Maltag änderte? Andrerseits war das Blau wiederum nicht ganz und gar gleichmäßig, sondern wechselte innerhalb eines Pinselstrichs. Man konnte also die Decke nicht einfach mit einer gleichmäßig blauen Farbe anstreichen, sondern mußte richtig ein Bild malen? Der Hintergrund wurde nicht dadurch zum Himmel, daß man blindlings mit einem möglichst großen Pinsel, vielleicht sogar einem Besen,die Farbe in den noch dazu immer notwendig nassen Mörtel strich, sondern, überlegte Bloch, der Maler mußte richtig einen Himmel malen, mit kleinen Änderungen im Blau, die aber wieder nicht so deutlich sein durften, daß man

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