Die Angst verfolgt dich bis ans Ende (Thriller) (German Edition)
ihm abgelehnt werden könnten. Er kam gar nicht erst auf den Gedanken. Daher meinte er: "Die Adresse ist 55 Sea Drive. Der Schlüssel liegt unter einem Stein neben der Eingangstür. Das Haus habe ich vor Jahren günstig erworben. Ab und zu mache ich da Urlaub."
Lynne lächelte verhalten. "Wann haben Sie das letzte Mal Urlaub gemacht, Grady?"
"Da waren Sie noch nicht hier, Lynne! Also, wenn Sie wollen..."
"Ich werd's mir überlegen, okay?"
"Du mußt mir schon irgend etwas hinterlassen", erklärte Grady nachdrücklich. "Eine Adresse, eine Telefonnummer.
Schließlich muß ich dich erreichen können."
"Ich rufe an", versprach sie.
Grady seufzte.
"Okay."
*
Es war gegen drei Uhr morgens, als Lynne das Gebäude von Radio KLM verließ. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen und Lynne schlug ihren Mantelkragen hoch. An einen Schirm hatte sie nicht gedacht.
Einen Moment lang wartete sie im Portal, aber die Hoffnung, doch noch trocken bis zu ihrem Wagen zu gelangen, gab sie schon nach wenigen Augenblicken auf.
Vermutlich würde es die ganze Nacht durchregnen.
Lynne atmete tief durch und lief los. Der Asphalt zu ihren Füßen war glitschig.
Sie wich einer tiefen Pfütze aus und fühlte bereits, wie ihr die Haare am Kopf klebten, als sie den Wagen endlich erreicht hatte.
Sie suchte in der Manteltasche nach dem Wagenschlüssel, hatte ihn auch schließlich in der Rechten und steckte ihn ins Schloß. Als sie die Wagentür öffnete, nahm sie seitlich eine Bewegung war und drehte sich herum.
Eine Gestalt hob sich dunkel gegen den Schein der Außenbeleuchtung ab. Den Umrissen nach war es ein Mann. Groß, breitschultrig und mit einem Parka bekleidet. Die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen. Seine Züge lagen in einem dunklen Schatten.
Der Mann stand ganz ruhig da und schien Lynne zu beobachten.
Der Regen schien ihn dabei nicht weiter zu kümmern, obwohl sein Parka längst völlig durchnäßt sein mußte.
Lynne fröstelte unwillkkürlich.
Als ob er auf mich gewartet hat! ging es ihr durch den Kopf, aber gleichzeitig fragte sich die junge Frau, ob sie sich nicht etwas einbildete.
Lynne achtete nun ebenfalls nicht mehr auf den Regen, der etwas heftiger geworden zu sein schien.
Ihr Blick ruhte auf der schemenhaften Gestalt, die völlig reglos dastand.
Sie schluckte.
"Bill?" fragte sie dann, laut genug, daß der Unbekannte sie hören konnte.
Es war einfach ein Versuch.
Ein Versuch, der sie allen Mut kostete, den sie aufbringen konnte. Aber die Ungewißheit darüber, wer sie quälte und offenbar auf Schritt und Tritt beobachtete, war einfach uner-träglich geworden.
"Bill?" fragte sie noch einmal. "Was wollen Sie von mir?
Wollen Sie, daß ich mich fürchte? Gut, das haben Sie erreicht. Ich kann nachts kaum noch schlafen und bin kaum noch in der Lage, meine Sendung zu machen. Was wollen Sie noch?" Sie redete einfach drauflos und ihre Angst verflog dabei mehr und mehr. Sie ging zwei, drei Schritte auf den Ge-heimnisvollen zu, in den auf einmal Unruhe gefahren zu sein schien.
Er wandte sich ab und ging davon.
"Bill, so bleiben Sie doch stehen!" rief Lynne. "Oder soll ich Mister Delaney sagen?"
Der Geheimnisvolle begann jetzt zu rennen. Er setzte zu einem Spurt an.
Er war ein guter Läufer.
Seine langen Beine trugen ihn mit raumgreifenden Sätzen über den Parkplatz. Er lief zwischen ein paar Sträuchern hindurch und war dann einen Augenblick später verschwunden.
"Bill", flüsterte Lynne und ließ den Blick schweifen. Aber sie konnte nirgends etwas sehen, was ihr einen Anhaltspunkt geben konnte.
"Mit wem redest du, Lynne?" fragte plötzlich eine Stimme in ihrem Rücken.
Es war eine weibliche Stimme.
Lynne wirbelte herum und blickte in das ziemlich verwunderte Gesicht von Colleen McGray, die mit einem Schirm in der Hand dastand.
"Es ist nichts", beeilte sich Lynne zu sagen. "Wirklich nichts."
Colleen zuckte die Achseln.
"Ich dachte nur."
"Es ist wirklich alles in Ordnung, Colleen."
Colleen strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und musterte Lynne zweifelnd. "Ich habe gehört, du machst eine Weile Urlaub...", sagte Colleen dann.
Lynne blickte sie verwundert an.
"Ach, ja?" versetzte sie spitz.
"Grady hat es mir gesagt."
"Solche Sachen machen ja schnell die Runde!" stellte Lynne etwas ärgerlich fest.
"Tut mir leid, es war nur eine Frage", erwiderte Colleen.
Lynne lächelte gezwungen. "Natürlich."
Einen Augenblick lang herrschte ein verlegenes Schweigen.
"Kann ich dir irgendwie helfen?"
Weitere Kostenlose Bücher