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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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beeinflussen, spielen für den Kunden einer privaten Rentenversicherung im Kapitaldeckungsverfahren praktisch keine Rolle«, sagt er. Die bei Vertragsbeginn einer privaten Rentenversicherung vereinbarte Rentenhöhe ist für die gesamte Laufzeit, die oft 40 Jahre oder länger beträgt, garantiert. Bei der Kalkulation von Rententarifen werde aus diesem Grund die erwartete künftige Verlängerung der Lebenserwartung berücksichtigt, erklärt er. Die Menschen lebten immer länger. Die Annahmen für den künftigen Sterblichkeitstrend hätten daher 2004 aktualisiert werden müssen und würden seither im Neugeschäft ab 2005 mit neuen Sterbetafeln berücksichtigt, sagt er. »Trotzdem bekommt der Kunde, der seine Rentenversicherung vor 2005 abgeschlossen hat, die garantierte Rente, und sein Vertrag wird weiterhin an den Überschüssen beteiligt.« Den Überschussanteil legen die Versicherer jährlich neu fest. Seine Höhe hängt unter anderem davon ab, wie viel Gewinn die Unternehmen mit ihren Kapitalanlagen machen, auch die sogenannten Risikoüberschüsse spielen eine Rolle. »Verlängern sich die Lebenserwartungen, so entstehen weniger Risikoüberschüsse, und wir müssen die Überschussbeteiligung in zukünftigen Jahren niedriger deklarieren«, sagt Priebe. »Das heißt aber nicht, dass der Kunde weniger bekommt. Die Rente einschließlich der Überschussbeteiligung wird ja aufgrund der längeren Lebenserwartung im Durchschnitt auch über einen längeren Zeitraum gezahlt.« Aus mathematischer Sicht macht das vielleicht keinen Unterschied, aus Sicht des Verbrauchers schon: Statistisch gesehen bekommt der Kunde insgesamt nicht weniger, aber nur, wenn er auch die veranschlagte Lebenserwartung erreicht. Die Höhe der Zahlung, die er Monat fürMonat bekommt, ist durch die gestiegene Lebenserwartung niedriger.
    Auch jenseits der Demografiedebatte hält Verbraucherschützerin Edda Castelló gar nichts von den Verträgen der Assekuranz für die Altersvorsorge. »Renten- und Lebensversicherungen haben eine schlechte Rendite, hohe Kosten und sind extrem unflexibel und intransparent«, lautet ihr vernichtendes Urteil. Sie ist eine entschiedene Gegnerin dieser Policen. Von ihrem bescheidenen Domizil im fünften Stock der Verbraucherzentrale Hamburg aus führt sie einen schier aussichtslosen Feldzug gegen die Verträge, von denen ihrer Ansicht nach nur die Versicherer profitieren. »Würden die Verbraucher eine rationale Entscheidung fällen, würden sie sich nicht dafür entscheiden«, ist sie überzeugt. Castelló plädiert für Alternativen. Statt eine Rentenversicherung abzuschließen, können Bürger für den Ruhestand Vermögen aufbauen und im Alter einen Auszahlungsplan aufstellen, damit sie wissen, wie viel sie verzehren können.
    So etwas hört die Branche nicht gerne. Der Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft Jörg von Fürstenwerth hält private Rentenversicherungen für die beste Form der privaten Altersvorsorge. »Bei welchem anderen Produkt bekommen Kunden eine lebenslange garantierte Rente?«, fragt er. Allianz-Produktentwickler Volker Priebe sieht das genauso. »Die Zusage einer lebenslangen Rente kann nur in einem Kollektiv mit vielen Menschen erfolgen«, sagt er. Die lebenslange Zahlung sei ein unschlagbarer Vorteil. »Jeder Auszahlungsplan als Altersvorsorge stellt ein Risiko dar«, sagt er. Der angehende Ruheständler müsse selbst festlegen, von welcher Lebenserwartung er ausgeht. »Lebt er länger als gedacht, ist plötzlich kein Geld mehr da.«
    Vielleicht ist es ein Erfolg von Verbraucherschützerin Castelló, vielleicht das Resultat der vergangenen Wirtschaftskrisen: Die Zahl der Lebensversicherungen sinkt. Aber es gibt noch immer unglaublich viele. In Deutschland besaßen 80 Millionen Einwohner im Jahr 2010 rund 90 Millionen Lebensversicherungsverträge, im Jahr 2005 waren es 94,2 Millionen. Weniger geworden sind insbesondere die Kapitallebensversicherungen. Sie waren früher das wichtigste Produkt der Branche. Die Vermittler hatten ein gutes Lockmittel. Die Auszahlungen aus den Verträgen waren komplett steuerfrei. Das ist seit 2005 vorbei. Der Staat will nicht mehr die bloße Vermögensbildung der Bürger fördern. Sie sollen sich private Rentenversicherungen zulegen, die werden steuerlich milder behandelt. Ihr Anteil in den Beständen der Branche ist von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 38,9 Prozent im Jahr 2010 gestiegen.
    Die Verträge werden weniger,

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