Die Angstmacher
ihnen keinen Kredit gegeben, sagen sie. Doch die Banken und Sparkassen bestreiten das. Auch bei der Finanzaufsicht BaFin beschweren sich Kunden. Aber die Aufsicht sieht sich nicht dazu in der Lage, etwas dagegen zu tun. In den Verträgen, die die Kunden unterschrieben haben, steht nichts von dieser Erpressung. Kunden müssen unterschreiben, dass sie selbst die Policen haben wollten.
Vor allem denjenigen, die sich eine überteuerte Versicherung überhaupt nicht leisten können, werden Restschuldversicherungen oft aufgedrängt. Zu den Schuldnerberatungen kommen immer wieder Klienten, die solche Policen haben. »Gerade Kunden, die nicht solvent sind und die einen Kredit haben wollen, bekommen ihn nur, wenn sie so einen Vertrag abschließen«, sagt Heinrich Wilhelm Buschkamp von der Schuldnerberatung Bielefeld. Er koordiniert die Arbeit der Schuldnerberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen für den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. »Damit werden die Kunden über den Tisch gezogen«, sagt er. Den Banken geht es nur darum, die Verträge abzuschließen und so das Geld hereinzuholen – nicht um die Absicherung des Risikos. »Das ist unmoralisch«, findet der Schuldnerberater. Viele Überschuldete sind extrem verunsichert, viele kommen aus bildungsfernen Schichten. Sie blicken mit Angst in die Zukunft. Ein Kredit bei der Bank oder Sparkasseerscheint ihnen wie der rettende Strohhalm – und ist genau das Gegenteil. Die Verkäufer am Schalter haben leichtes Spiel.
Aus Sicht der Verbraucherschützer gibt es allerdings gute und schlechte Restschuldversicherungen. Gute dienen der Absicherung zum Beispiel von Krediten zur Immobilienfinanzierung. Sie finden ihre Zustimmung, wenn sie in Form einer reinen Risikolebensversicherung abgeschlossen werden, deren Deckungssumme nach und nach fällt. Auf harsche Kritik stößt die Restschuldversicherung, mit der Konsumentenkredite in vier- oder fünfstelliger Höhe abgesichert werden. Diese Darlehen nehmen Kunden häufig in Anspruch, um sich neue Möbel oder ein Auto zu kaufen. Bank und Versicherer bereichern sich mit Geld, das oft von Leuten stammt, die ohnehin kein Geld haben und deshalb überhaupt erst einen Kredit aufnehmen müssen. Die Idee dieses lukrativen Geschäftsmodells: Der Versicherer springt ein, wenn der Kunde stirbt oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbslosigkeit die Raten nicht mehr zahlen kann. Große Anbieter auf diesem Feld sind die Talanx mit den Töchtern Neue Leben, TARGO Versicherungen und PB Versicherungen und die öffentlich-rechtlichen Versicherer wie die Provinzial-Gesellschaften und die Versicherungskammer Bayern, die über die Sparkassen verkaufen. Öffentlich-rechtliche Versicherer gehören, wie der Name schon sagt, der öffentlichen Hand. Anteilseigner sind Sparkassen oder Kommunalverbände. Man könnte die Erwartung haben, dass diese Versicherer eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zeigen, aber das ist nicht der Fall. In ihrer Geschäftspolitik unterscheiden sie sich nicht von den Aktiengesellschaften oder den Versicherungsvereinen. Auch die R+V, die zum Lager der Volks- und Raiffeisenbanken gehört, spielt bei Restschuldversicherungen groß mit.
Je nötiger ein Kunde den Kredit braucht, desto besser wirkt die Drohung, dass es ohne Police auch kein Darlehen gibt. Sich unter verschiedenen Anbietern einen auszusuchen, geht nicht. Die Versicherer vereinbaren mit den Banken Exklusivkooperationen, Policen von Konkurrenten kommen also nicht ins Haus.Für den Kunden hat das fatale Folgen. »Die Policen sind extrem teuer«, sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Für die Verbraucherzentralen handelt es sich um »modernen Kreditwucher«. Kunden müssen die Prämie oft auf einen Schlag als sogenannte Einmalprämie zahlen. Sie liegt häufig bei über 25 Prozent der Kreditsumme, in extremen Fällen sogar bei über 30 oder 40 Prozent. Immer wieder wehren sich Kreditnehmer, die sich betrogen fühlen. Und ihre Chancen, vor Gericht recht zu bekommen und zu erreichen, dass die Verträge rückabgewickelt werden – sie also die gezahlten Prämien retour bekommen –, sind nicht schlecht. Aber dazu muss ihnen erst einmal auffallen, dass sie sie gezahlt haben.
Die empörenden Verhältnisse sind offensichtlich. Aber niemand fällt den Anbietern in den Arm. Die Verbraucherzentralen haben der Finanzaufsicht vor einigen Jahren rund 200 skandalöse Fälle übermittelt. Nichts ist geschehen. Kein Wunder, dass die Anbieter von
Weitere Kostenlose Bücher