Die Angstmacher
Wirtschaftsforschung (DIW) für das Jahr 2010 fest. »In allen großen Instituten im Finanzbereich gibt es erheblichen Nachholbedarf bei der Besetzung von Spitzenpositionen durch Frauen.« 50
Die Wissenschaftlerinnen des DIW haben untersucht, wie Frauen an den Entscheidungsprozessen bei den nach Beitragseinnahmen zweiundsechzig größten Versicherern beteiligt sind. Dazu zählten die Forscherinnen, wie viele Frauen in den Aufsichts- und Verwaltungsräten und Vorständen der Unternehmen vertreten sind. Das Ergebnis ist ernüchternd. In keinem einzigen Unternehmen ist eine Frau Vorstandsvorsitzende. Zweiundfünfzig Gesellschaften haben keine einzige Frau im Vorstand. Von den insgesamt 399 Vorstandsposten, die es 2010 in den 62 beitragsstärksten Versicherungsunternehmen gab, waren 389 von Männern und zehn von Frauen besetzt. Wahrgenommen werden diese zehn Vorstandsposten von acht Managerinnen. 51
Im Jahr 2010 lag der Frauenanteil in den Führungsgremien der zweiundsechzig größten Häusern bei 2,5 Prozent. Im Jahr zuvor waren es noch 2,8 Prozent. Bei einem so geringen Anteil macht sich schon der Weggang einer einzigen Frau bemerkbar. Die Quote gedrückt hat der Weggang der Topmanagerin Elke König vom Rückversicherer Hannover Rück im Frühjahr 2009. König wurde Mitglied des International Accounting Standards Board (IASB), einem Gremium zur Entwicklung internationaler Bilanzstandards. Von da ging es an die Spitze der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, deren Chefin sie jetzt ist. Ihr Nachfolger bei der Hannover Rück war ein Mann, der Manager Roland Vogel. Verlässt eine Frau ihren Posten, rückt in der Regel ein Mann nach.
Archaische Verhältnisse
Die Topmanagerinnen haben einen harten Aufstieg hinter sich. Die meisten Frauen, die es in die erste oder zweite Führungsebene geschafft haben, sind trotzdem gegen eine Frauenquote.Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie von einem großen oder einem kleinen Versicherer kommen. Sabine Krummenerl, die mit zwei Vorstandsposten eine der mächtigsten Versicherungsmanagerinnen Deutschlands ist, schiebt den Frauen selbst die Schuld für ihre fehlende Präsenz in den Führungsetagen zu. »Man kann das über eine Frauenquote nicht erzwingen. Das muss schon von den Frauen selbst kommen«, sagte sie bei einem von der Zeitschrift Versicherungswirtschaft veranstalteten Topmanagerinnentreffen. Auch Wiltrud Pekarek von der Halleschen Krankenversicherung ist gegen die Quote: »Ich glaube nicht, dass sie uns Frauen nützt, sondern eher schädigt.« Und Marita Manger, Vorstandssprecherin der recht kleinen Auxilia Rechtsschutzversicherung, wehrt sich dagegen, ihre Geschlechtsgenossinnen fördern zu müssen: »Ich selbst will keine Quotenfrau sein und will auch nicht gezwungen sein, eine Frau nehmen zu müssen.« 52 Doch auch in der Assekuranz gibt es Stimmen, die sich für eine Quote aussprechen. Eine davon gehört Monika Sebold-Bender, seinerzeit Vorstand bei der Westfälischen Provinzial und heute in einer Führungsposition unterhalb des Vorstands bei der Allianz: »Meiner Ansicht nach ist Leistung allein nicht entscheidend bei der Besetzung von Führungspositionen. Deshalb bin ich eine Anhängerin der Frauenquote.« Nach ihrer Auffassung ist nicht der Mangel an gut ausgebildeten Frauen der Grund für ihre fehlende Präsenz in den Führungsetagen. Trotzdem hätten es nur wenige nach oben geschafft: »Das spiegelt in keiner Weise die Fähigkeiten und Bildung meiner Generation wider.« 53
Auch die unabhängige Bonner Finanzexpertin Mechthild Upgang fordert für die Führungsetagen der Assekuranz die Einführung einer Frauenquote, und zwar von 50 Prozent. »Hätte eine Frau im Vorstand gesessen, wäre es sicher nicht zu solchen Exzessen wie in Budapest gekommen«, sagt sie in Anspielung an die ERGO-Belohnungsreise mit sexuellen Dienstleistungen für Topverkäufer. Upgang ist Gründerin und Vorstand des Bundesverbandes unabhängiger Finanzdienstleisterinnen (BuF), einem Zusammenschluss von qualifizierten, selbstständigen Expertinnenfür Versicherungs- und Kapitalanlagefragen. Sie erinnert die Arbeitsteilung der Geschlechter in der Assekuranz an archaische Zeiten. »Der Mann geht hinaus und bringt die Beute, und die Frauen verarbeiten sie am Herd«, sagt sie. Genauso läuft es in der Assekuranz: Die Männer des Vertriebs gehen auf die Jagd nach Verträgen, und die Frauen in der Verwaltung kümmern sich um die Bearbeitung. Der hohe Anteil der Mitarbeiterinnen unter den
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