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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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besichtigen. Da sind der skrupellose Vertreter Arno von Mehling, die Angestellte Annerose Waguscheit, die ihr Arbeitsleben mit Nagelfeilen verbringt, und das zynische wie total konfuse Management.
    In »Kehraus« lässt der Vorstand der Versicherung die Angestellten mit einer Kamera überwachen. Er will feststellen, auf welche Beschäftigten das Unternehmen verzichten kann. Personalabbau ist in der Branche von jeher ein Thema, und das ist noch immer so. Kameraüberwachung gibt es bisher nicht. Aber Beratungsunternehmen, deren Abgesandte in den Abteilungen nach Wirtschaftlichkeitsreserven fahnden. 1991 beschäftigte die Assekuranz nach Auskunft des Arbeitgeberverbands der Versicherer insgesamt 251 900 Personen, im Jahr 2010 waren es nur noch 216 400 Menschen. Das ist noch lange nicht der Schlusspunkt. Die Gesellschaften versuchen, die Ausgaben für die eigene Verwaltung zu reduzieren. Das Thema Kostensenkung treibt die Manager der Branche um, seit es die Assekuranz als ernsthaften Wirtschaftszweig gibt. Die Branche gibt acht Milliarden für Abschlusskosten für die diversen Spielarten der Lebensversicherung aus, das meiste davon für Provisionen für die Vermittler. Hier spart sie nicht. Aus Sicht der Manager macht das Sinn. Würden sie die Vermittlervergütung radikal senken, bekämen sie keine neuen Policen. Ohne Nachschub an Policen würden die relativen Kosten steigen. Der Bestand würde schmelzen, und die Ausgaben für die großen Verwaltungsapparate müssten auf weniger Verträge verteilt werden. Damit würde eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Der Bestand würde noch schneller schmelzen. Kunden, die könnten, würden zur Konkurrenz wechseln. Solange sie keine Alternative zu Vermittlern alsVertriebskanal zu haben glauben, sind die Unternehmen bei der Senkung der Provisionen übervorsichtig. Die Verkäufer wachen eifersüchtig darauf, dass neben ihnen keine Konkurrenz groß wird. Nur ganz langsam setzen sich im Markt Nettoverträge durch. Das sind Verträge, bei denen die Versicherer die Provisionszahlungen herausgerechnet haben. Versicherungsberater zum Beispiel, die keine Policen verkaufen dürfen, weisen Kunden auf solche Verträge hin.
    In ihren Verwaltungen drücken die Versicherer schon immer die Kosten. Früh haben sie auf moderne Kommunikationstechnik gesetzt. Unter dem Schlagwort der Industrialisierung haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren versucht, die Bearbeitungsprozesse zu beschleunigen. Effizienter und effektiver sollen die Prozesse werden. Dazu standardisieren sie so viele Arbeitsschritte wie möglich. Zum Beispiel die Postbearbeitung: Früher wurde die Post von Boten durch die Büros getragen. Heute wird das, was überhaupt noch an Papier ins Haus und nicht elektronisch kommt, eingescannt und in die elektronische Weiterverarbeitung gespeist. Die Sachbearbeiter bekommen diese Informationen automatisch als Daten in ihre elektronischen Postfächer gelegt. Das führt für die Beschäftigten zu einer größeren Arbeitsverdichtung. Sie sind kontrollierbarer geworden. Den Tag mit Nagelfeilen zu verbringen, kann sich keine Beschäftigte leisten.
Callcenter statt qualifizierte Mitarbeiter
    Versicherungsmitarbeiter sind treue Seelen. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei 15 Jahren. Der männliche Versicherungsangestellte ist im Durchschnitt 43,9 Jahre alt, seine Kolleginnen kommen auf ein Durchschnittsalter von 41,9 Jahren. Im Jahr 2010 waren etwas mehr als die Hälfte aller Beschäftigten weiblich, im Außendienst stieg der Anteil um 0,7 Prozentpunkte auf 20,6 Prozent. Vieles erledigt Kollege Computer ganz allein.Bei der Deutschen Krankenversicherung entscheiden Maschinen in bestimmten Fällen, ob der Versicherer einem Kunden das Geld für eine eingereichte Rechnung überweist oder nicht. Viele Briefe verlassen die Gesellschaften ohne Unterschrift eines leibhaftigen Menschen. Das nehmen nicht alle Kunden hin. Ein ehemaliger Mathematiklehrer aus Bonn hat sich bei seinem privaten Krankenversicherer massiv über die Standardabspeisung beschwert. Er hatte Erfolg und bekam Post, die ein echter Mensch unterschrieben hat.
    Doch Kollege Computer ist auf lange Sicht billiger als die Sachbearbeiter aus Fleisch und Blut. Die Tarifgehälter für die Innendienstmitarbeiter sind gar nicht so schlecht. Im ersten Berufsjahr verdienen sie je nach tariflicher Eingruppierung zwischen 2220 Euro und 2366 Euro brutto, ab dem vierzehnten Berufsjahr zwischen 3318 Euro und 4335 Euro. Aber es gibt

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