Die Angstmacher
auch in dieser Branche so etwas wie einen Niedriglohnsektor und prekäre Arbeitsverhältnisse. Die Unternehmen lagern Aufgaben aus. Manche gehen den Weg der Auslagerung ganzer Arbeitsbereiche, andere gehen punktuell vor, etwa mit der Nutzung von Callcentern. Deren Mitarbeiter bekommen oft nicht die Tariflöhne, denn das ist ja gerade Zweck der Auslagerung. »Da sitzen dann oft Leute, die eben nicht die Qualifikation haben, qualifiziert Auskunft zu geben«, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Nicht durchgesetzt hat sich das sogenannte Offshoring . Der Versicherer AXA hatte Mitte des vergangenen Jahrzehnts als Erster den Versuch unternommen, Verwaltungsarbeiten in Länder mit extrem niedrigem Lohn auszulagern. Im lettischen Riga und im indischen Bangalore haben Beschäftigte unter anderem nicht zuzuordnende Zahlungseingänge mit offenen Rechnungen von Kunden abgeglichen und andere einfache Arbeiten ausgeführt. Offenbar hat das dem Unternehmen nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Zumindest ist das Modell nicht in Serie gegangen.
In den wettbewerbsintensiven Sparten wie der Autoversicherung versuchen die Gesellschaften, mit garantierten Bearbeitungszeiten zu punkten. Ist der Schaden nicht in sieben, acht oder zehn Tagen bearbeitet, erhält der Kunde 30, 40 oder 50 Euro. In den anderen Bereichen lässt der Service nach. »Die Kunden warten länger auf die Bearbeitung ihrer Schäden«, sagt Rudnik. Das gilt erst recht für die einst fast in nachbarschaftlicher Atmosphäre ablaufende Schadenregulierung in den Geschäftsstellen. Auch die Agenturen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Die Versicherer mit den vielen Filialen und dem flächendeckenden Vertriebsnetz bilden sich einiges auf die Betreuung ihrer Kunden ein. Ihre Vor-Ort-Leute haben großspurige Bezeichnungen wie »Generalvertreter« oder gar »Bezirkskommissar«. Wie auch immer sie heißen, zu erreichen sind sie immer seltener. Statt von montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr sind die Leute nur noch an zwei ausgewählten Wochentagen von 11 bis 13 Uhr im Büro. Blöd für die Kunden, die es von alters her so kennen, dass sie nach einer Schadensmeldung gleich den Scheck mitnehmen können. Der leibhaftige Kundenbetreuer vor Ort wird immer mehr abgelöst durch anonyme Angebote am Telefon durch Callcenter-Agents. Lange Wartezeiten und das Hängen in Warteschleifen sind keine Seltenheit. Oft sind diese Mitarbeiter nur angelernt. Sie können bei Standardfragen weiterhelfen, aber nicht bei komplizierten Sachverhalten. Besonders ärgerlich ist es für Kunden, wenn die Callcenter-Agents gar keinen Zugriff auf ihre Daten haben. Dann bleibt ihnen der Schriftverkehr, der gerade durch die telefonische Kontaktaufnahme vermieden werden sollte, nicht erspart.
Nicht nur Verbraucher spüren den immer schlechter werdenden Service. Er trifft auch die Vermittler. Sie beschweren sich, dass sie keine direkten Ansprechpartner in den Unternehmen mehr haben. Auch sie schätzen es nicht, stundenlang in der Warteschleife eines Callcenters zu hängen, deren schlecht ausgebildete Mitarbeiter ihnen nicht weiterhelfen können. Manche Versicherer sind dabei auch noch so dreist, den Vermittlern den Kontakt nur über teure 0180er-Nummern zu ermöglichen. Makler beschweren sich darüber, zunehmend keinen direktenZugang mehr zu Sachbearbeitern zu haben. Dass kann auch für den Kunden ärgerlich sein, etwa wenn der Vermittler für ihn bei einem Schaden etwas mit dem Versicherer klären will.
Schwindende Kampfkraft
Traditionell waren die Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft vor allem in einer Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds organisiert. Früher war das die HBV, die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen. Jetzt ist es die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Tarifvertragspartner sind darüber hinaus auch die DHV – Die Berufsgewerkschaft und der DBV, der Deutsche Bankangestellten-Verband.
Ver.di verliert in der Assekuranz an Boden. Die Dienstleistungsgewerkschaft kämpft um ihre Akzeptanz in den Belegschaften. Vor allem Flügelkämpfe in der Führung des für die Versicherungswirtschaft zuständigen Fachbereichs lähmten die Gewerkschaft. Die Beschäftigten kreiden ihren Funktionären zudem die angesichts der hohen Gewinne der Gesellschaften mageren Gehaltsabschlüsse an. Seit Mitte der Neunzigerjahre sind die Einkommen pro Jahr nominal nur um rund 2 Prozent gestiegen, bei der letzten Tarifrunde allerdings um 3 Prozent. Trotz steigender Umsätze wurden
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