Die Angstmacher
Zehntausende von Arbeitsplätzen abgebaut. Die Folge: Die Mitglieder liefen in Scharen davon. Beobachter glauben, dass ver.di nur noch 10 Prozent der Beschäftigten in den Versicherungsunternehmen hinter sich hat.
In dem riesigen Apparat der Dienstleistungsgewerkschaft sind die Versicherungsleute in einem von 13 Fachbereichen zusammengefasst. Diesen Fachbereich müssen sie sich mit anderen Gruppen aus der Finanzbranche teilen. Eine Reihe von Arbeitnehmervertretern hatte eines Tages die Nase voll. Im November 2010 hat sich eine weitere Interessensvertretung organisiert, die »Neue Assekuranz Gewerkschaft«. Viele der Gründer kommen aus dem Hause ERGO. Aus Enttäuschung über die schlechteBetreuung in der Großorganisation ver.di hätten einflussreiche Betriebsräte die große Gewerkschaft verlassen, sagt die neue Interessensvertretung. »Nachdem sich seit der ver.di-Gründung die Mitgliederzahlen in der Versicherungswirtschaft mehr als halbiert haben, hat auch auf Ebene der politischen Bundessekretäre ein beispielloser Aderlass stattgefunden«, so Marco Nörenberg, Vorsitzender des Gewerkschaftsrats der Neuen Assekuranz Gewerkschaft. 47 Ursprünglich habe ver.di sechs Hauptamtliche auf Bundesebene für die Kollegen in der Assekuranz bereitgestellt, jetzt nur noch einen. Viele altgediente Funktionäre sind in den vergangenen Jahren in den Ruhestand gegangen. »Dieser Know-how-Abfluss und auch der Fortfall von Ressourcen sind dramatisch und werden ver.di-seitig aus Kostengründen nicht annähernd hinreichend aufgefangen. Das geht zulasten unserer Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Betriebs-, Gesamt- und Konzernbetriebsräte werden vielfach nicht oder unzureichend betreut, in den Betrieben findet Gewerkschaft kaum noch statt«, kritisiert Nörenberg, der Konzernbetriebsrat bei ERGO ist. 48
So haben die Versicherer mit ihren Beschäftigten ein leichtes Spiel. Bemerkbar macht sich das zum Beispiel an der Übernahme von Auszubildenden. Nach Angaben der Neuen Assekuranz Gewerkschaft lag die Übernahmequote in ein unbefristetes Angestelltenverhältnis im Januar 2011 bei unter 20 Prozent. In der Branche stehen die Zeiten weiter auf Stellenabbau. Der Versicherer AXA zum Beispiel will nach Presseberichten bis zum Jahr 2015 von 9000 Vollzeitstellen in Deutschland 1500 streichen. Der Versicherungskonzern Talanx will an die Börse. Auch hier erwarten Beobachter den massiven Abbau von Arbeitsplätzen.
Die Männerbastion
Dass Frauen es bei einem Versicherungsunternehmen durch die gläserne Decke ins Topmanagement schaffen, ist extrem selten. In den wichtigsten Steuerungsorganen, den Vorständen und Aufsichtsräten, gibt es kaum weibliche Mitglieder. Dabei mögen Versicherungsunternehmen Frauen. Als Zielgruppe. Zahlungskräftige Kundinnen werden von den Generali Versicherungen ganz besonders umgarnt, eigens für sie hat das Unternehmen den Vertrieb »FrauenFinanzService« ins Leben gerufen. Mit der »Beratung von Frau zu Frau« wirbt die Gesellschaft: »Frauen beraten Frauen einfach besser.« 49 Jedenfalls, wenn es um den Verkauf der »Mutter und Kind Unfall«-Police oder der Kinderrente Fonds geht. Im eigenen Vorstand legt die zum italienischen Generali-Konzern gehörende Gesellschaft aber keinen Wert auf den Rat von Frauen. Da sitzen nur Herren.
Als Topmanagerinnen sind Frauen in der Assekuranz sehr selten anzutreffen. Die Führungsetagen der Versicherungswirtschaft sind eine der letzten Männerbastionen der Republik. In der Assekuranz ist Sexismus eine verbreitete Weltanschauung, nicht nur wenn es um Anreize für die Verkäufer geht. In der Nachkriegszeit gehörte die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft zu einem wichtigen Punkt in der Biografie eines Managers, der es zu etwas bringen wollte. Von diesem Korpsgeist hat sich die Branche noch nicht wirklich befreien können, auch wenn es in den Vorstandsetagen durchaus moderne Männer gibt. Seilschaften und antiquierte Rollenklischees sind offenbar bei Beförderungen wichtiger als tatsächliche Qualifikationen. In kaum einer anderen Branche gibt es so wenige Frauen unter den Führungskräften. Es sind sogar noch weniger als im nicht gerade frauenfreundlichen Banksektor. »Obwohl im Finanzsektor weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, stellen sie nur 2,9 Prozent der Vorstandsmitglieder in den großen Banken und Sparkassen und nur 2,5 Prozent dieser Posten in den großen Versicherungen«, stellen Elke Holst und Julia Schimeta vom Deutschen Institut für
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