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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2010 weist 4741 Fälle von Betrug zum Nachteil von Versicherungen und Versicherungsmissbrauch nach den Paragrafen 263 und 265 Strafgesetzbuch aus, plus weitere 194 Fälle von Versicherungsmissbrauch. »Auch in andere Kategorien der polizeilichen Kriminalstatistik fließen Fälle von Versicherungsbetrug«, sagt Thomas Lämmrich, Leiter der Abteilung Kriminalitätsbekämpfung beim Branchenverband. Das sind unter anderem die sogenannten Autobumser, die bevorzugt in dunklen Ecken vorsätzlich eigene oder die Wagen von Komplizen kaputtmachen, und die Leute, die ihr eigenes Haus in Brand stecken. Versicherungsfälle erscheinen in der Kriminalstatistik unter der allgemeinen Überschrift »Betrug«. Genaue Zahlen? Hat der Verband nicht. Dasgilt auch für die Ermittlung der 4 Milliarden Euro Schaden durch Versicherungsbetrug. Die Zahl entbehrt jeder Grundlage. Niemand hat gezählt, wie viele Ablehnungen in den Unternehmen wegen Betrugsverdachts erfolgen und erst recht nicht, in wie vielen Fällen das berechtigt ist. Die Größe von 4 Milliarden Euro beruht also nicht auf Hochrechnungen aus den Gesellschaften. Das wäre rein technisch gar nicht möglich. »Die Versicherer definieren Betrug nicht alle gleich«, sagt Thomas Lämmrich. Das eine Unternehmen geht von unlauteren Motiven aus, wenn in der Schadensmeldung Angaben nicht zu 100 Prozent stimmen. Im anderen muss der Melder das Geschehen so vorsätzlich frisiert haben, dass aus dem nicht versicherten Ereignis ein versichertes wurde. Hinzu kommt ein nicht unerhebliches Dunkelfeld, denn längst nicht jeder Betrug kann erkannt werden, sagt der Verband. Vor diesem Hintergrund schätzen die Experten aus den Unternehmen den Schaden durch Betrug auf der Grundlage ihrer langjährigen Erfahrungen. Die Zahl ist also über den dicken Daumen gepeilt.
    Die Versicherer behaupten, die Bundesbürger hätten kein Unrechtsbewusstsein. Kaum sei eine neue Generation von Handys oder Notebooks auf dem Markt, häuften sich die Fälle von Schadensmeldungen. Fingierten, sagen sie. Haben die Versicherer einen Betrugsverdacht, zeigen sie den Verdächtigen in der Regel aber nicht an. Sitzen die Manager in den feinen Hotels in den Pressekonferenzen und zeigen auf die gut vorbereiteten, mit dem Beamer an die Wand geworfenen Präsentationen mit Umfrageergebnissen, könnte man fast glauben, das ist wirklich nett von ihnen. Versicherungsbetrug ist ein Volkssport, sagen solche von der Branche in Auftrag gegebenen Umfragen. Nach einer repräsentativen Umfrage glauben 40 Prozent der Befragten, dass in der Haftpflicht- und Hausratversicherung Betrug leicht möglich wäre. »Jeder zehnte gemeldete Versicherungsschaden ist wahrscheinlich Betrug«, meldet der Branchenverband. Doch es ist nicht pure Menschenfreundlichkeit, dass die Gesellschaften Versicherungsbetrug nicht anzeigen. Das geschieht im eigenen Interesse. Würden sie bei einem Verdacht den Geschädigten anzeigen, wären sie in der Beweispflicht. Solange sie einfach nicht zahlen, muss der Kunde beweisen, dass er einen Schaden hatte. Die Versicherer – nicht die Richter! – entscheiden, wer als Betrüger gilt. Für einen Rechtsstaat ist das eine beachtliche Anmaßung.
    Die Sparten, in denen die Manager am häufigsten Betrug wittern, sind Hausrat und private Haftpflicht. Sie wissen auch genau, wie sie das in den Griff kriegen könnten. Wenn sie wirklich wollten. »Haben Kunden eine Eigenbeteiligung vereinbart, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsbetrugs sehr stark«, weiß Kriminalitätsbekämpfer und Gothaer-Vorstand Thomas Leicht. Bei einer Eigenbeteiligung muss der Kunde bei einem Schaden eine vorher festgelegte Summe selbst zahlen. Das ist attraktiv für Verbraucher. Durch diesen – so der Fachjargon – Selbstbehalt sinkt die Prämie. Trägt der Kunde je nach Vereinbarung Kleinigkeiten in Höhe von 200 Euro oder 500 Euro selbst, wendet er sich bei sogenannten Bagatellschäden nicht an den Versicherer. Das ist auch für den Versicherer gut, deshalb gibt es einen Rabatt.
    Nach Angaben von Thomas Leicht haben weniger als 10 Prozent der Haftpflicht- und Hausratpolicen eine Eigenbeteiligung. Vermittler machen ihre Klienten nicht offensiv darauf aufmerksam. »Wenn die Prämie für den Kunden niedriger ist, bekommt der Vermittler auch weniger Provision«, erklärt Leicht. Solange die Branche dafür keine Lösung finden will, kann das Problem nicht wirklich groß sein. Näher liegt, dass die

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