Die Angstmacher
2011 berief der Aufsichtsrat erstmals in der Geschichte des Unternehmens eine Frau in den Vorstand der Allianz SE, und zwar Helga Jung.
Als erster privater Krankenversicherer hat die Allianz Private Krankenversicherung seit dem 1. Januar 2012 eine Vorstandsvorsitzende. Birgit König war seit September 2011 bereits im Vorstand des Unternehmens und zuvor Partnerin bei McKinsey Deutschland und Mitglied der europäischen Health Care Practice. In den Aufsichtsrat des Unternehmens eingerückt ist außerdem Katharina Janus, Professorin für Gesundheitsmanagement an den Universitäten Ulm und Columbia New York sowie Direktorin des Forschungsnetzwerks »Center for Healthcare Management«. Bei CosmosDirekt ist mit Claudia Andersch ebenfalls mittlerweile eine Frau an Bord.
Der selbst ernannte Kundenversteher ERGO hat den wichtigen Posten des »Chief Compliance Officer« an eine Frau vergeben. Als Konsequenz aus der »Budapest«-Affäre hat das Unternehmen eine neue Abteilung »Compliance« ins Leben gerufen, die von Stefanie Held geführt wird. In der Medizin meint dieser Begriff Therapietreue, in der Wirtschaft meint »Compliance« das Einhalten von selbst gesetzten Regeln und Gesetzen.
Wie die Branche das Thema Versicherungsbetrug instrumentalisiert
Zufälle gibt’s: In der populären Doku-Soap »Die Versicherungsdetektive« auf RTL versuchen eine Spürnase von der Gothaer und eine von der HUK-Coburg angeblichen oder tatsächlichen Betrügern auf die Schliche zu kommen. Der Kopf des Branchenverbands Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Rolf-Peter Hoenen war früher Chef der HUK-Coburg. Der Vorsitzende der GDV-Kommission Kriminalitätsbekämpfung ist Thomas Leicht, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Allgemeine. Aber mit der Doku-Soap habe man nichts zu tun, heißt es beim Verband. Ist der HUK-Mitarbeiterzeitung zu glauben, hat RTL bei 100 Versicherern angefragt, nur zwei wollten mitmachen. Für die Gothaer hat es sich gelohnt. Kunden sollen nach Ausstrahlung der ersten Staffel ihre Schadensmeldung zurückgezogen haben. Die HUK-Coburg hat das nicht festgestellt. Vielleicht wirkt ihr Versicherungsdetektiv Patrick Hufen mit der ulkigen Pumuckl-Frisur zu sympathisch. Von dem bekäme so mancher auch mal gerne Besuch.
Die Doku-Soap hatte gute Einschaltquoten. Die Zuschauer sahen Hermann Jung von der Gothaer und Patrick Hufen von der HUK-Coburg bei der Bearbeitung bizarrer Fälle zu. In einer Folge wollte ein Paar mit unzähligen vorherigen Schadensmeldungen Entschädigung für Türen, die von Schränken in ihrem Wohnwagen abmontiert und angeblich gestohlen worden waren. In einer anderen versuchte ein junger Mann Geld für eine tatsächlich oder vermeintlich aus dem Fenster gefallene Kamera zu bekommen. Jung und Hufen sind keine Versicherungsdetektive, sondern Schadenregulierer. Sagen sie nein, gibt es kein Geld – das Paar und der junge Mann gingen leer aus. Glaubt ein Versicherer, der Kunde habe einen Schaden fingiert, zahlt er einfach nicht. Der Geschädigte muss beweisen, dass er einen Schaden hat – nicht der Versicherer, dass der Kunde betrügt. Die Fälle in der Doku-Soap sind echt, betonen HUK-Coburg und Gothaer.Die Kunden werden vorher gefragt, ob sie mitmachen wollen, und müssen sich schriftlich dazu bereit erklären. Bei niemandem steht plötzlich das Kamerateam vor der Tür.
Doch damit rechnet vielleicht der ein oder andere Zuschauer. Die Versicherer arbeiten nicht nur mit der Angst ihrer Klienten, um möglichst viele Abschlüsse zu erreichen. Auch bei der Abwehr von Schäden ist Furcht ein wichtiger Faktor. Kunden haben Angst, als Versicherungsbetrüger dazustehen, wenn sie einen Vorfall melden. Nicht ohne Grund. Die Versicherer stellen Geschädigte gern unter Generalverdacht. Das wissen die Betroffenen. Für die Gesellschaften hat das einen angenehmen Nebeneffekt. Sie können damit rechnen, dass Kunden so wenig wie möglich melden. Versicherer behandeln das Thema Versicherungsbetrug in der Öffentlichkeit deshalb fast so gerne wie die diversen angeblichen Versorgungslücken. Sie lassen auf Pressekonferenzen Sachverständige auf Handys herumtrampeln, um zu demonstrieren, wie leicht man einen Schaden selbst herbeiführen kann; geben Umfragen zur Akzeptanz des Versicherungsbetrugs in Auftrag und setzen willkürlich Zahlen in die Welt. Vier Milliarden Euro sollen Versicherungsbetrüger jedes Jahr nach Schätzung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft an Kosten verursachen.
Die
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