Die Angstmacher
Beschäftigten spiegelt sich auch nicht in den Aufsichtsräten der Gesellschaften wider. Sie werden je zur Hälfte von der Arbeitnehmer- und der Anteilseignerseite besetzt. Der überwiegende Teil der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder bei den Versicherern wird von der Arbeitnehmerseite gestellt, und zwar mehr als vier Fünftel. Dreizehn der 62 größten Unternehmen haben keine einzige Frau im Vorstand und im Aufsichtsrat. Dazu gehören Branchengrößen wie die AXA, die Hannover Rück und die Versicherungskammer Bayern. Mit 44,4 Prozent den größten Frauenanteil haben die Zurich Deutsche Herold Lebensversicherung und die DBV Deutsche Beamtenversicherung Lebensversicherung, die seit einigen Jahren zur AXA gehört. Die Allianz Versicherungs-AG und der Debeka Lebensversicherungsverein a. G. kommen immerhin auf 33,3 Prozent und die R+V Lebensversicherung AG auf 25 Prozent. Insgesamt liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DIW-Untersuchung zufolge bei den 62 größten Versicherern bei 11,9 Prozent. Bei den großen Banken und Sparkassen beträgt er immerhin 16,3 Prozent. Die DIW-Wissenschaftlerinnen Holst und Schimeta plädieren für gezielte Maßnahmen für die Integration der Frauen in Führungspositionen wie Mentoring-Programme, Sensibilisierungstrainings für Führungskräfte und Unterstützung von Eltern bei der Kinderbetreuung. Solche Schritte müssen sich selbstverständlich auch bei der Besetzung von Toppositionen bemerkbar machen. »Hier hat die Finanzbranche offenbar noch einen langen Weg vor sich, den sie aber durch eine konsequente, zeitnahe Umsetzung von Zielgrößen für die Besetzung von Topgremien und anderen hohen Führungspositionen mit Frauen erheblich verkürzen kann«, schreiben sie. 54
Frauenförderung wegen Fachkräftemangels
Die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote für die Führungsgremien großer Unternehmen ist auch in Deutschland nicht völlig ausgeschlossen, auch wenn sich die Wirtschaftsverbände derzeit noch erbittert dagegen wehren. Sie ist längst überfällig. In Norwegen gibt es das bereits: Seit Anfang 2008 gilt in dem skandinavischen Land für Aufsichtsräte börsennotierter Firmen eine gesetzlich festgeschriebene Frauenquote von mindestens 40 Prozent. Bei Missachtung des Gesetzes droht nicht nur der Verlust der Börsenzulassung, sondern gar die Zwangsauflösung. Das Gesetz zeigte sofort Wirkung: Schon bei der Einführung der Regelung hatten knapp 90 Prozent der 460 betroffenen Unternehmen die Quote erfüllt – selbst in typischen Männerdomänen wie der Ölbranche. Lag der Frauenanteil in den norwegischen Kontrollgremien 2002 noch bei 6 Prozent, beträgt er inzwischen 41 Prozent.
Auf den Weg gebracht hatte die Quote 2003 der damalige konservative Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen. Sein Motiv war nicht feministisch, sondern ökonomisch: Nach der Überzeugung des ehemaligen Unternehmers sind Firmen mit gemischter Führung erfolgreicher als männerdominierte. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Unternehmensberatung McKinsey in ihren zwei »Women Matter«-Studien über weibliche Führungskräfte. 55 Die Berater stellten in beiden Studien fest, dass Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Vorstand deutlich höhere Gewinne erwirtschaften als der Branchendurchschnitt. Die Erträge der Unternehmen steigen, wenn mindestens drei Frauen zum Vorstand gehören. Diese Mindestzahl ist notwendig, damit sich die Frauen innerhalb der traditionellen Machtstrukturen Geltung verschaffen können. Einzelkämpferinnen in einer ansonsten männlichen Führungsriege können nur wenig verändern. Auch in den Niederlanden gibt es eine gesetzliche Regelung zur Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsetagen der Unternehmen. Spanien, Großbritannien und Frankreich ziehenÄhnliches in Betracht – und über die Europäische Union könnte die Quote auch nach Deutschland kommen.
Tatsächlich beginnen die Versicherer, gezielt um Frauen zu werben. Denn die Manager fürchten den Fachkräftemangel, der sich bereits abzeichnet. »Das ist nicht nur eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, sondern eine absolute Notwendigkeit für uns. Der Arbeitsmarkt wird durch die Bevölkerungsentwicklung schrumpfen und der Wettbewerb um die Talente rasant steigen«, sagte Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann im Interview mit seiner eigenen Pressestelle. 56 In Zukunft sollen beim Marktführer für jede Führungsposition drei potenzielle Nachfolger bereitstehen, darunter soll eine Frau sein. Im Dezember
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