Die Angune (German Edition)
Sachen einzumischen. Andererseits trieb sie die Neugierde, und sie gab diesem Verlangen nach.
Vorsichtig spähte sie durch die halbgeöffnete Tür in den Raum hinein.
Auf dem Boden lag eine Frau auf den Knien und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. Ein Mann traktierte sie mit Füssen und schrie wie ein Besessener. Und dazwischen mischte sich immer wieder das Krähen eines Neugeborenen das irgendwo lag.
Das war zu viel für Cornelia! Sie stieß die halboffene Tür auf.
»Aufhören! Sofort!«, schrie sie den Mann an.
Das Adrenalin war ihr ins Blut geschossen, und die Wut ins Gesicht.
Überrascht schaute der Mann hoch. Er sah aus wie einer aus der Stadt: ein Weißelf.
Und er war offenbar betrunken. Nicht nur seine unsicheren Bewegungen verrieten ihn, sondern auch seine Mimik.
Er starrte Cornelia für einen Moment lang an, so als versuchte er seine Gedanken zu ordnen und sich auf diese neue Situation einzustellen. Dann stürzte er vorwärts, um Cornelia anzugreifen.
In Cornelias Augen erschien für einen Moment ein rotes Leuchten.
Sie erwischte einen Holzeimer mit einem kurzen Trageseil, der neben der Tür stand, schwang ihn im Kreis herum und traf den Mann am Oberarm. Der schwere Holzeimer brachte ihn aus dem Gleichgewicht, er stolperte seitwärts, krachte gegen die Bretterwand des Verschlags und rutschte zu Boden. Er hielt sich den Oberarm mit schmerzverzerrtem Gesicht und starrte Cornelia wütend an. Mit unsicheren Bewegungen versuchte er sich vom Boden zu erheben.
Cornelia ging vollends in den Raum hinein und stellte sich vor die am Boden liegen Frau.
Der Mann starrte Cornelia an, schrie etwas das sie nicht verstand, spukte sie an - oder vielmehr versuchte sie anzuspucken - und stürzte dann zur Tür hinaus. Für ein paar Sekunden hörte Cornelia noch seine Schritte auf dem Bretterboden. Dann war er verschwunden.
Die Frau kauerte noch immer auf dem Boden, die Hände über dem verfilzten Haar verschränkt. Das fleckige Kleid aus grobem Leinen passte zu den schwarzen Füssen. Zu Hause in Krausberg hätte Cornelia ein e solch dreckige Bettlerin links liegenlassen, doch hier wollte sie die Frau einfach nur trösten.
Irgendwo in der Nähe krähte noch immer ein Neugebor enes.
Cornelia ging in die Hocke und legte den Arm tröstend um die leise wimmernde Frau.
»Er ist weg.«, flüsterte sie.
Die Frau setzte sich hin. Als sie sich die verfilzten Haa rsträhnen aus dem Gesicht wischte, fuhr Cornelia der Schrecken in die Glieder.
Die linke Gesichtshälfte zierte ein großer Bluterguss und aus der Nase lief Blut. Die Augen waren gerötet und geschwo llen, und auf den die Wangen glänzte die Feuchtigkeit der Tränen.
»Oh Gott!«, flüsterte Cornelia erschrocken.
Die junge Frau hockte da und starrte eine Weile zu Boden. Dann erhob sie sich.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Cornelia und schaute auf den Bluterguss.
Doch die Frau antwortete nicht. Ihr Blick ging ins Leere.
»Ist das dein Kind?«, hakte Cornelia nach.
Dann erst regte sich die Frau. Sie schaute in die Richtung aus der das Schreien des Neugeborenen erklang, dann auf Cornelia, und wieder zurück zum Kind. Es war als überlegte sie, als wägte sie etwas ab.
»Bringen sie meine Tochter nach Rassagard.«, sprach sie mit fester Stimme. »Sagen sie, es ist das Kind von Kat'ka R osenstaub!«
»Was? Nein! Moment! Das geht nicht! Wenn das dein Kind ist ...«
Cornelia schaute verwirrt zwischen dem krähenden Kind und der Frau hin und her.
»Du hast doch nicht etwa vor, dein Kind im Stich zu lassen, oder?«
Doch die junge Frau drehte sich nur um und wollte den Raum verlassen. Cornelia sprang hinterher und ergriff ihren Arm, um sie festzuhalten. Da riss die Frau sofort beide Arme hoch, und versuchte ihr Gesicht zu schützen.
Erschreckt ließ Cornelia sie los.
»Schon gut! Schon gut! Keine Angst, ich tu dir nichts!«
Ängstlich spähte die Frau zwischen ihren Armen hervor.
»Ich tu dir nichts! Wirklich! Versprochen!«, beteuerte Co rnelia. »Bitte beruhige dich!«
Die beiden Frauen schauten sich an.
»Hör mal, ich kann das nicht tun, was du da von mir verlangst. Du kannst ... du willst dein Neugeborenes doch nicht wirklich verlassen, oder?«
Die Frau starrte Cornelia teilnahmslos an.
»Dieses Kind braucht seine Mutter! Dieses Kind braucht dich, nicht mich! Ganz gleich was hier geschehen ist, bitte, lass dein Kind jetzt nicht im Stich.«
Doch die Frau reagierte nicht und machte wieder Anstalten zu gehen.
»Bitte!«, flehte
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