Die Angune (German Edition)
Cornelia. »Dein Kind muss alle paar Stunden gestillt werden! Ich kann das nicht! Das kannst nur du! Das Kind wird sterben wenn es nicht genährt wird! Bitte!«
Für einen Moment wurde der Blick der Frau wieder klar. Sie musterte Cornelia und sagte:
»Sie sind reich und Sie sind schön! Für ein paar Kupferobolen werden Sie viele Frauen finden, die bereit sind ihre Milch zu teilen.«
Dann wandte sie sich wieder um.
»Oh Gott, Nein! Bitte, gehen sie nicht!«, flüsterte Cornelia flehend.
Sie hatte Angst. Der Gedanke, dass diese Frau ihr Neug eborenes aufgeben würde, machte sie krank.
»Wenn du jetzt fortgehst, wird deine Tochter dich nie wi eder sehen! Du wirst nicht hören, wenn sie zum ersten Mal "Mama" sagt. Du wirst nicht sehen, wie sie auf dem Boden herumkrabbelt. Und wenn sie ihre ersten Schritte tut!«
In der Tür blieb die Frau noch einmal stehen. Sie schaute Cornelia an, und blickte dann noch einmal in die Richtung wo ihr Kind lag.
»Ich habe sie Mah'shday genannt. Sonnenschein. Mein Sonnenschein!«
Dann rannte sie fort.
Cornelia stürzte ihr hinterher, in den Flur hinaus, die Treppe hinunter, doch die Frau war weg, verschwunden im Labyrinth der Dachbodenhasen.
32. Tag im 3. Sternenhaus des 5289. Sonnenumlaufs
In der Halle des Gemüsemarktes kamen die ersten Händler schon in aller Früh, wenn es draußen noch dunkel war, um ihre Bänke zu errichten.
Schnell verbreitete sich an diesem Morgen unter den Gemüsehändlern die Nachricht, dass eine Tote im Gebälk hing. Sie hatte sich erhängt!
Niemand kannte die Bettlerin mit dem großen Bluterguss im Gesicht. Der Totengräber schnitt sie ab und fuhr den an onymen Leichnam auf das Hochplateau von Quât'ra hinaus. An einer Felswand hob er einen Holzdeckel hoch und ließ die Leiche in den Schacht hinunter plumpsen. Dann verschloss er den Deckel wieder und kehrt nach Rinu'usala zurück.
Cornelia hob das Neugeborene vorsichtig aus der Holzwi ege heraus. Es krähte noch immer, den kleinen zahnlosen Mund weit aufgerissen. Es hatte die kleinen Händchen zu Fäusten geballt und sein Gesicht war ganz rot geworden von der Anstrengung.
Cornelia lehnte das kleine schreiende Bündel an ihre Schu lter und schmiegte den kleinen Kopf an ihre Wange.
»Das ist ein beschissener Tag für uns beide!«, flüsterte sie. »Für dich noch mehr als für mich!«
Cornelia bekam weiche Knie und musste sich setzen. Die Tränen schossen ihr in die Augen und sie begann zu weinen.
Doch plötzlich entstand in ihrem Kopf ein anderes Bild.
Sie stellte sich vor, sie stünde im Frühsommer auf einer Blumenwiese und schaute einer zehnjährigen Elfe zu. Das Mädchen trug ein langes, weißes Chiffonkleid, das mit Vogelfedern besetzt war, und jagte tanzend und hüpfend den Schmetterlingen hinterher.
Lea'Sidhe hatte den Gedanken geschickt.
Doch das wusste Cornelia nicht.
Kapitel 2 3
Die Arkane der Spiritualität
25. Tag im 3. Sternenhaus des 5289. Sonnenumlaufs
T isor von der großen Eiche stand auf einem Felsen und schaute auf das kleine Tal hinunter, das sich 40 Meter unter ihm ausbreitete. Es war der einzige Platz in einem weiten Umkreis wo die Bäume der Tanara etwas lichter standen und einen guten Blick durch die Baumkronen hindurch bis zum Boden erlaubten.
Tisor von der großen Eiche hatte sich mehrere dicke Lagen grüngefärbter Woll- und Leinentücher umgewickelt. Dies war ein Tribut an sein hohes Alter. Als junger Mann war er mei stens halbnackt herumgerannt und hatte sich Lehm- und Blätterpasten zur Tarnung auf den Körper geschmiert. Doch heute, nach 176 Sonnenumläufen eines erfüllten Lebens in den Wäldern der Tanara, waren viele Muskeln und alle Fettreserven aufgezehrt, und dem dürren, alten Waldelf war fast immer kalt.
Das Leben hatte lange und tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben und die Augen waren eingesunken.
Sein langes, einst prachtvolles Haar war etwas schüchtern geworden, aber es war noch immer genügend stark, um sich 20 Fasanenfedern einflechten zu lassen. Die langen, quergebänderten Schwanzfedern des Fasans standen am Hinterkopf wie Stacheln weg. Das Tragen gefundener Fasanenfedern als Kopfschmuck war die einzige Schwäche, die sich der greise Waldelf noch erlaubte.
Seine knochige, rechte Hand hielt einen knotigen, verdre hten Stab aus Haselnußholz. Die Gelenke der Finger waren dick und die ungepflegten Fingernägel rissig. Kurz über seiner Hand befand sich der verdickte Wurzelstock des Haselnußstamms. Eine einzige Wurzel ragte horizontal
Weitere Kostenlose Bücher