Die Angune (German Edition)
Senke. Wahrscheinlich hoffte der Ih'hsab, dass sie dort nicht entdeckt werden würden. Doch so einfach konnte der Karawanenführer einen erfahrenen Fährtenleser wie Chinato'Oral nicht täuschen.
Der Waldläufer griff kurz vor der Morgendämmerung an!
Und wieder aus dem Hinterhalt!
Zuerst tötete er die drei Dunkelalben der Karawane. Die Söldner sahen zwar heruntergekommen aus, waren aber sicher kampferprobt und von daher noch immer gefährlich. Den Rest der noch schlaftrunkenen Karawanenwächter töte er einen nach dem anderen mit gezielten Pfeilschüssen, bevor der Rest fliehen konnte.
F ünf Sklaven waren auch gestorben. Drei Steinmaden waren im Getümmel glatt erschossen worden. Zwei andere erlagen am Tag danach ihren Verletzungen.
An genaue Einzelheiten konnte sich der Waldläufer vom Volk der Grauelben nicht mehr erinnern. Die Schlachtraserei hatte ihn gepackt, der Blutrausch hatte seine Sinne benebelt. Doch so wie beim Morgengrauen der Katzenjammer den B etrunkenen anheimfällt, so befiel im Laufe des Morgens die Scham den Waldläufer.
Zuerst hatte er nur da gehockt, mürrisch und wütend auf sich selbst. Wütend darüber, dass seine Unbeherrschtheit und sein unüberlegtes Handeln ihm wieder mal einen Streich g espielt hatten. Er verfluchte sich, und er verfluchte die Zwerge. Sie waren, klamm vor Angst, zu einem armseligen Häufchen zusammengekrochen. Er hatte den verdammten Steinmaden alle Schuld auf Erden gegeben. Er hatte sie beschimpft und bedroht, er hatte sie angebrüllt wie ein Besessener.
Chinato'Oral kniff bei der Erinnerung kurz die Augen z usammen, und seine verzerrten Gesichtszüge spiegelten - selbst mehrere Tage nach dem Vorfall - noch immer den Schmerz der Bestürzung wieder.
Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten, als er sich dazu en tschloss, diese Karawane anzugreifen?
Weil die Alben ihm in Balingan seine Beute abgejagt hatten?
Das war kein Grund um Blutrache zu nehmen! Er war kein Mörder, kein seelenloses Monster! Er tötete nicht aus Vergn ügen oder Rache. Er lebte in der Wildnis. Und er lebte gemäß den Regeln der Wildnis. Er jagte nur um zu überleben. Er respektierte die Tiere die er jagte, und er tötete sie schnell und schmerzlos. Und er opferte stets einen Teil seiner Beute den Göttern, um ihnen für die Gabe zu danken.
Aber was er im Karawanenlager angestellt hatte, das hatte nichts mit seinen Überzeugungen und Lebenswerten zu tun.
Nach seinem Tobsuchtsanfall über die Zwerge hatte er sich hingelegt und bis zum Nachmittag geschlafen. Unaufhörliche Alpträume hatten ihn gejagt, und als er erwachte, hatte er schweigend seine Sachen gepackt. Scham marterte sein Gewissen. Er hatte nicht mehr den Mut gehabt, um sich diesen 36 Augenpaaren, die ihn stumm anstarrten, entgegen zustellen. Für ihn war jeder einzelne Blick eine Anklage gewesen, und er hatte alles getan um ihnen auszuweichen.
Aber er hatte sich getäuscht!
9. Tag im 3. Sternenhaus des 5289. Sonnenumlaufs
Chinato'Oral kreuzte zufällig den Blick eines Kindes und sah nur Angst in den großen, blauen Augen. Keine Angst vor ihm! Nein! Es war die Angst vor dem Ungewissen, die dem kleinen Mädchen ins Gesicht geschrieben stand! Angst vor dem Alleingelassen werden!
Die Mutter des Mädchens hatte den gleichen Gesichtsausdruck.
› Was wird aus uns?‹, flehten ihren Augen.
Keiner der Unterirdischen sagte ein Wort. Sie standen nur da und schauten ihn verunsichert, ängstlich oder traurig an. Sie schauten ihn einfach nur an, flehend, und ohne jeden Vorwurf.
Und er schaute sie an - einen nach dem anderen! Und er dachte daran, dass diese Männer weder Krieger noch Jäger waren. Es waren Minenarbeiter, die mit Schaufel und Spitzh acke in den Tiefen von Ersoh herumwühlten. Unterirdische halt! Sie wussten nicht wie man einen Strick aus Pflanzenfasern legt, um ein Kaninchen zu fangen, und sie wussten nicht wo die Vögel ihre Nester versteckten, um an ihre Eier zu gelangen. Sie hatten keine Ahnung, welche Blumen giftig waren, und niemand hatte ihnen die Blätter gezeigt die halfen wenn Kinder unter Durchfall litten.
Sie konnten nach Aruma'ai zurückkehren, aber die dort l ebenden Elfen hatten bei Steinmaden nicht viel Nächstenliebe im Sinn. Die Bewohner von Aruma'ai würden die Unterirdischen verjagen, im schlimmsten Fall sogar angreifen und töten.
Und er wurde sich bewusst, dass die Zwerge auch daran dachten.
Chinato'Oral schaute sie an - und sie schauten ihn an. Bis er schlussendlich seinen schon gepackten
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