Die Angune (German Edition)
Ortschaft vorbei?«
»Nein!«
»Schade!«
»Warum?«
»Dann hätte ich dich gebeten, mir ein schmales Schnitzmesser zu besorgen?«
»Ein schmales Schnitzmesser?«
»Ja!«, bestätigte Amian Felssprenger kurz und bündig, und paffte genüsslich an seiner imaginären Pfeife.
Daraufhin schwieg die Runde.
Aber nicht lange.
»Kleingeschnittene Naitoca-Blätter aus Anthemien!«, flüsterte Rufus Kopfspalter daneben, kopfnickend und gedankenverloren.
»Mit ein paar Tropfen des schwarzen Saftes von Haldamirischem Süßholz aromatisiert!«, fügte Theoman Ri emenschneider hinzu und atmete tief durch.
Dann schwiegen sie wieder.
»Zuhause bewahrte ich meinen Tabak immer in einer Schweinsblase auf!«, brach Arden Stahlfaust das Schweigen. »Die Scheibe einer Zitrusfrucht sorgte für Feuchtigkeit und das Stück einer Bienenwabe gab ihm ein süßliches Aroma!«
Dann herrschte wieder Schweigen.
'Zuhause!' hatte der alte Arden Stahlfaust gesagt! Ein magisches Wort, das sie alle an etwas erinnerte was sie verloren hatten. Und so hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Ihre Blicke verloren sich in der Glut des nachlassenden Lagerfeuers.
»Rufus?«, fragte Theoman Riemenschneider.
»Hm?«
»Werden deine Leute dich vermissen zu Hause?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht!«
»Glaubst du, dass wir jemals wieder nach Hause zurüc kkommen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht!«
»Ich glaube nicht!«, sagte Amian Felssprenger und zeigte mit seiner imaginären Pfeife auf Rufus Kopfspalter. »Schau dich an! Womit willst du die Schiffpassage über die Taralomischen Meere bezahlen!«
Der angesprochene schaute auf seine Füße. Vorne stand sein dicker Zeh aus den löcherigen Lumpen heraus.
»Vielleicht finden wir eine Mine die wir ausbeuten können!«, bemerkte Theoman Riemenschneider.
»Eine kleine Goldader würde genügen!«, fügte Rufus Kopfspalter hinzu.
»Und eine Goldader hier würdest du aufgeben, um wieder zurück nach Hause zu kommen?«, fragte Amian Felssprenger und steckte seine imaginäre Pfeife in den Mund.
Wieder schwiegen sie alle und starrten nachdenklich ins niederbrennende Lagerfeuer.
»Amian?«, fragte Theoman Riemenschneider.
»Hm?«
»Aus welchem Clan bist du?«
»Ich? Vom Clan Klingenbeißer aus dem Stamm Rune ntraum?«
»Hm!«, grunzte Theoman Riemenschneider und schwieg einen Moment, so als müsste er über das Gesagte nachdenken. »Ich bin aus dem Clan Hirschmeister vom Stamm Waffenschmied.«
»Hm?«, knurrte Amian Felssprenger. »Ist dein Clan groß und mächtig?«
»Nein! Und deiner?«
»Nein! Auch nicht?«
Wieder schwiegen sie alle, bis Rufus Kopfspalter das Schweigen brach.
»Ich bin vom Clan Rotschild aus dem Stamm Bragnar Kampfbrüller? Großer Clan! Zwei Burgen in Haldamir und zwei im Wilden Karien! Aber ich werde sie wohl nie wieder sehen!«
Arden Stahlfaust nickte anerkennend mit dem Kopf:
»Clan Goldschwert, auch aus Kampfbrüllers Stamm! Uns gehört eine Mine in Kiridonien! Vor 57 Wintern besiegten wir Tok'schuk, den schwarzen Órok.«
Rufus Kopfspalter nickte anerkennend mit dem Kopf.
»Ich habe von der Schlacht gehört!«
Wieder schwiegen sie alle.
»Wenn wir nicht wieder nach Hause zurück können, wird auch keiner von uns seinen Clan wiedersehen!«, sagte Theoman Riemenschneider und alle nickten zustimmend mit dem Kopf.
»Das ist nicht gut!«
»Das ist schlecht!«
»Das ist ganz schlecht!«
»Warum!«, fragte Chinato'Oral, der die ganze Unterhaltung schweigsam aber aufmerksam verfolgt hatte.
Pfeifenraucher Amian Felssprenger schaute den Grauelb lange und eindringlich an.
»Nur wer in einen Clan eingebunden ist, kann ein sinnvolles Leben führen. Der Clan sorgt dafür, dass wir unsere Ahnen nicht vergessen, und alles was sie wussten und taten. Der Clan steht für Geselligkeit und Fürsorge, er bietet Geborgenheit und gleicht Gegensätze aus. Der Clan sorgt dafür, dass die alten Werte wie Solidarität und Tradition von unseren Kindern gelernt und weitergegeben werden. Der Clan ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Clan ist alles, Waldläufer! Alles!
Jetzt starrte Chinato'Oral gedankenverloren in die Glut des Lagerfeuers. Ein Zwergenclan war das reine Gegenteil von ihm. Die Ahnen interessierten ihn nicht, Geselligkeit hasste er und Gebor genheit hatte er nie erfahren.
»Mein Clan kann mir keine Geborgenheit mehr bieten!«, stellte Theoman Riemenschneider fest.
»Unsere Werte dürfen in diesem Teil der Welt nicht verlorengehen!«, fügte Rufus Kopfspalter
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