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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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oder ein Stück Land zu erhalten oder Ruhm und Ehre zu erzielen. Wir verpflichten die Söhne von Soldaten, den gleichen Beruf zu ergreifen, auch wenn sie es gar nicht wollen. Wir pressen Männer in den Dienst, die sich nur deswegen nicht weigern, weil wir mit Repressalien drohen. Wir plündern die landwirtschaftlichen Anwesen von ihren Arbeitskräften, sodass mittlerweile selbst Senatoren und ehemalige Offiziere Deserteure beherbergen, um überhaupt jemanden zu haben, der auf dem Land arbeiten kann. Sklaven können ihre Freiheit erlangen, indem sie Deserteure an die Behörden verraten. Das System, mein Freund, ist krank und funktioniert bloß mithilfe brutaler Gewalt. Was wird jetzt passieren? Wir werden den Osten nach neuen Rekruten durchkämmen. Wir werden jeden nehmen, werden Verbrechern Gnade versprechen und Sklaven befreien, um sie neu zu versklaven. Vielleicht werden wir noch eine Armee zusammenbekommen. Vielleicht können wir die Goten so lange hinhalten, bis diese Armee wieder einigermaßen einsatzbereit ist. Und dann?«
Er seufzte.
»Dann kommen die Nächsten. Hast du die Geschichten gehört, die die Goten erzählen? Dass gigantische hunnische Horden sie aus ihren Ländern vertrieben haben? Dass noch mehr passieren wird und dann diese Barbaren irgendwann auch an unseren Grenzen eintreffen werden? Was werden wir ihnen entgegenstellen? Wie viel Gold werden wir hinauswerfen, um Barbaren zu bestechen, damit sie sich von unseren Grenzen fernhalten? Wie oft werden wir uns erpressen lassen müssen, weil wir schwach sind?«
Richomer lächelte und schüttelte dann eher schwermütig den Kopf.
»Du wirst ein Philosoph, mein Freund. Das muss an der Verletzung liegen.«
»Jeder Soldat mit etwas Grips im Kopf wird zum Philosophen, wenn er lange genug mitbekommen hat, wie das Reich langsam, aber sicher vor die Hunde geht.« Victor fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich werde versuchen, dir eine vollständigere Liste zusammenzustellen, und bringe sie nach Sirmium, sobald ich in der Lage zu reisen bin. Dann können wir dem Imperator neue Zahlen vorlegen.«
»So ist es richtig. Lass uns ein Problem nach dem anderen lösen: Erst kümmern wir uns um die Goten, dann um die Rettung des Reiches vor allen zukünftigen Gefahren.«
»Ich hätte noch gerne, dass wir das Reich bei der Gelegenheit zu einem Staat machen, in dem alle gerne leben und in dem wir niemanden mit Androhung des Todes dazu zwingen müssen, den Legionen beizutreten. Ich bin es leid, Männer in den Tod zu führen, die keinerlei Interesse daran haben, zu kämpfen. Ich hätte wirklich gerne wieder eine freiwillige und motivierte Truppe.«
»Unsere Kavallerie war durchaus motiviert.«
»Ihre Leichen liegen vor der Stadt.«
Richomer tätschelte den Feldherrn und zwang sich ein Lächeln ab.
»Du kannst einen wirklich aufmuntern, Victor.«
»Munter du mich auf, indem du mir in einer Woche berichtest, dass Gratian einen Weg gefunden hat, unser aller Arsch zu retten.« Richomer erhob sich. »Ich werde mich bemühen. Mach du mich froh, indem du tatsächlich in einer Woche auftauchst und wieder Farbe im Gesicht hast.« »Das verspreche ich dir.« »Dann will ich meinen Teil auch einhalten.« Der Blick, den Victor dem herauseilenden Richomer hinterherschickte, sprach nicht von Zuversicht.

34

    »Eine schöne Villa.«
Godegisel warf den Hühnchenknochen achtlos auf den Boden und wischte sich das Fett vom Kinn. Fritigern warf ihm einen missbilligenden Blick zu und machte eine ausholende Handbewegung.
»Genieße sie, solange du noch kannst. Wir werden uns nicht ewig hier aufhalten können.«
Der junge teuringische Adelige nickte. Er war dem Richter und Feldherrn Fritigern, der von den Römern fälschlicherweise als König tituliert wurde, von ihrem durch die Hunnen zerschlagenen Reich bis in das Gebiet Ostroms gefolgt. Er hatte gelernt, seinem Ratschluss zu vertrauen, und in diesem Falle waren die Gründe eindeutig: Den gotischen Truppen – auch nach der Schlacht gegen Valens gut 20 000 Krieger – und allen mit ihnen verbundenen Zivilisten gingen wieder die Vorräte aus. Solange ihr Status nicht gesichert war, würde es nichts nützen, an einem Ort mit der Siedlung zu beginnen, außerdem galt es, den errungenen militärischen Vorteil schnell zu nutzen. Man musste weitermarschieren, weiterplündern und vor allem versuchen, endlich einmal eine dieser verfluchten, gut befestigten römischen Städte zu erobern. Vor Adrianopel hatten sie sich, so überlegen sie den Römern

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