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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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atmend und lächelnd voneinander lösten, erkannte Volkert die Spuren von Tränen in ihren rotgeränderten Augen. Er schob sie auf halbe Armlänge von sich, betrachtete ihr Gesicht genauer und sah nun Anzeichen von Erschöpfung.
»Julia«, murmelte er umständlich. »Was ist denn passiert?«
Als ob die Frage einen Damm zum Einsturz gebracht hätte, schossen der jungen Frau wieder Tränen in die Augen, die sie jedoch tapfer bekämpfte. Sie presste die Lippen aufeinander und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen, eine feuchte Spur über die Haut ziehend. Dann seufzte sie laut auf und holte mehrmals tief Luft.
»Setzen wir uns«, hauchte sie schließlich und Volkert führte sie zu dem Sofa, das einen Großteil des Raumes dominierte.
Julia kam unumwunden zur Sache.
»Meine Mutter hat mir gegenüber wüste Drohungen ausgestoßen«, berichtete sie mit bitterem Unterton. »Sie erklärte, dass die Eltern allein dafür Sorge tragen würden, mit welchen Männern eine Tochter zu verkehren habe, und sie sei es leid, sich von mir dermaßen vorführen zu lassen. Vater sei da ganz ihrer Ansicht. Ich habe dagegengehalten und es gab … unschöne Szenen.«
Volkert ahnte, was das bedeutete. Speziell in einer römischen familia, in der zumindest rein theoretisch der Vater in allem und allein das Sagen hatte. Julia schien von diesen althergebrachten Traditionen eher wenig zu halten und hatte möglicherweise diesmal in den Augen ihres Vaters den Bogen überspannt.
»Was ist dann passiert?«
»Meine Mutter meinte, dass jede Verbindung mit einem der seltsamen Besucher unstatthaft sei, selbst dann, wenn der Kaiser sich wohlwollend Eures Schiffes annehmen würde. Für mich käme in jedem Falle nur ein Mann von römischem Adel infrage, ein Senatorensohn. Sie wäre noch bereit, den Sohn eines hohen Offiziers zu akzeptieren oder jemand anderen vom Hofe. Sie meinte, meine Entscheidung würde sofort als infamia gewertet werden.«
»Als was?«
»Ah, ja, das kennst du vielleicht nicht. Das Infamiegesetz besagt, unter welchen Umständen jemand seine Bürgerrechte verlieren kann. Wenn zum Beispiel ein Senator die Tochter eines Gastwirts heiraten würde, wäre das ein Grund, ihm die Bürgerrechte abzuerkennen. Oder wenn eine Witwe wieder heiratet, ohne die einjährige Trauerzeit abgewartet zu haben. Es gibt viele Fälle, und unstandesgemäße Heirat mit jemandem, der einen Beruf ausübt, der als besonders schmutzig und abstoßend gilt, gehört dazu.«
»Gastwirte?«
Julia warf Jan einen bedeutungsvollen Blick zu. »Du wirst merken, was ich meine. Ich jedenfalls habe geantwortet, dass das ja wohl auf dich nicht zuträfe, aber sie meinte, du hättest noch nicht einmal das Bürgerrecht und daher könne sie es auf keinen Fall zulassen, dass ich jemanden wie …«
»… dass du jemanden wie mich heiratest«, vervollständigte Volkert den Satz.
»Ja. Das ändert sich vielleicht. Aber bis jetzt bist du schlicht …«
»… seltsam.«
»Sehr seltsam.«
Volkert presste die Lippen aufeinander. Das Gefühl von Verzweiflung und Wut presste ihm die Kehle zu. Er nahm Julia in den Arm und zog sie an sich. Für einen Moment hielten sie sich nur fest, gaben sich gegenseitig Trost.
»Was hast du deiner Mutter dann gesagt?«, wollte der junge Mann schließlich wissen.
»Ich habe ihr deutlich gemacht, dass mich keine ihrer guten Partien interessiert und dass ich eine Entscheidung getroffen hätte.«
Jetzt war es die Mischung aus plötzlicher Freude und Wärme angesichts dessen, was diese Aussage bedeutete, die Volkert die Worte im Munde stecken bleiben ließen. Er verschloss Julias Mund mit einem langen Kuss. Das Glücksgefühl schien fast überwältigend. Doch dann kroch wieder die Realität in seine Gedanken und er löste sich von ihr.
»Meine Mutter war wütend«, erzählte Julia weiter. »Aber meine Eltern haben letztlich eingesehen, dass sie gegen meinen erklärten Willen durch eigene Dickköpfigkeit nichts ausrichten können.«
Volkert verbarg ein Lächeln. Das Wort »Dickköpfigkeit« aus Julias Munde, und dann noch negativ gemeint, hatte durchaus etwas Ironisches.
»Sie hat mir ein Angebot gemacht«, sagte sie schließlich. Volkert runzelte verwirrt die Stirn.
»Ein Angebot? Was für eine Art von Angebot?«
»Sie sagte mir, ich könne jede freie Entscheidung treffen, die ich wollte, inklusive der Wahl meines Gatten, und sie würde mich diesbezüglich nie wieder bedrängen, wenn ich mir nur den seltsamen Germanen aus der Zukunft aus dem Kopf schlagen

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