Die Ankunft
kraftvolle Schiff zu werfen, das aus einer anderen Zeit zu stammen schien. Das alte Schlachtross der BREMEN-Klasse war 1902, als es erbaut worden war, der Gipfel deutscher Ingenieurskunst gewesen. Obgleich dessen Schwesterschiffe heute, gut 12 Jahre später, mehr und mehr durch moderne Turbinenkreuzer ersetzt wurden, war Rheinberg stolz auf die alte Lady. Kapitän von Krautz lag noch mit einer Grippe im Lazarett. Stationschef Admiral von Herringen persönlich würde Rheinberg in seiner Eigenschaft als Erster Offizier die notwendigen Befehle übergeben, und dies ehrte den Ruf des Kommandanten, der das Schiff die letzten sieben Jahre geführt hatte.
Rheinberg fühlte keinerlei Aufregung oder Angst. Er sah sich dort, wo er hingehörte, und würde er sich erst bewähren, war der Weg nicht mehr weit zu seinem eigenen Kreuzerkommando. Und Bewährung stand bevor, daran gab es keinen Zweifel. Der Krieg, auf den der Kaiser in seiner Weitsicht seine Flotte so sorgsam vorbereitet hatte, stand unmittelbar bevor, das wusste jeder, der über genügend Intelligenz verfügte. Rheinberg hatte an Intelligenz keinen Mangel, und so erwartete er die Zukunft mit Vorfreude. Krieg bedeutete Bewährung, und vor allem Siege, und dass es Siege sein würden, das stand ihn für außer Frage.
»Herr Korvettenkapitän!«
Die Stimme des Adjutanten riss ihn aus seinen Überlegungen. Wenige Augenblicke später fand Rheinberg sich in Gegenwart des Stationschefs wieder. Von Herringen war eine hochgewachsene Gestalt mit einem mächtigen, weißen Backenbart. Er hatte sein Amt erst vor etwa einem Jahr angetreten, allerdings hatte Rheinberg das Gefühl, dass er es nicht mehr lange innehaben würde. Der Mann stand kurz vor dem Pensionierungsalter, und wenn es tatsächlich zu einem Krieg kommen würde, dann bedurfte es eines Offiziers, der gleichzeitig auch in zivilen Angelegenheiten versiert war. Niemand machte sich Illusionen darüber, was ein Kriegsausbruch für die Stadt und das Umland von Wilhelmshaven bedeuten würde. Sie würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Festung erklärt werden, und das würde den Stationschef automatisch zum Gouverneur machen.
»Setzen Sie sich, Herr Korvettenkapitän!«
Rheinberg folgte der Aufforderung. Von Herringen ließ sich hinter seinem breiten Schreibtisch nieder und nickte in Richtung eines Papierbündels, das am vorderen Rande der Tischplatte lag.
»Nehmen Sie das, es sind die Marschbefehle. Sie sind gesiegelt, Fregattenkapitän von Krautz kann sie öffnen, sobald er aus dem Lazarett entlassen ist. Wie sieht es eigentlich damit aus?«
»Herr Admiral, der Kapitän ist bereits recht munter. Er hat die Influenza gut überstanden und wird übermorgen seinen Dienst wieder antreten.«
»Gerade recht, gerade recht. Sie werden es ziemlich eng haben auf der Hinfahrt.«
»Herr Admiral?«
Von Herringen deutete erneut auf das Papierbündel.
»Es hat einige Ergänzungen in letzter Minute gegeben. Sie wissen, dass die internationalen Spannungen kaum zu übersehen sind. Sollte es zum Kriege kommen, wird das unsere Kolonien genauso betreffen wie das Mutterland. Der Gouverneur von Kamerun hat zusätzliche Truppen verlangt. Er wird nicht das bekommen, was er gerne hätte, stattdessen immerhin eine volle Heereskompanie. Sie werden sie auf der Saarbrücken unterbringen müssen.«
»Das wird eng, Herr Admiral!«, gab Rheinberg zu bedenken. Eine volle Kompanie, also etwa vier Züge von je vierzig Mann, samt all der Ausrüstung … Es würde sogar sehr eng werden.
»Ich weiß. Hinzu kommen Munition, zusätzliche Gewehre sowie 25 000 Goldmark, alles abzuliefern beim Gouverneur. Sie werden einiges an Vorräten an Deck festzurren müssen, damit unterdecks Platz ist für die Grauen. Vielen davon wird es sehr schlecht gehen, vor allem, wenn es mal rau wird. Der Kompaniechef, ein Hauptmann Becker, scheint jedoch schon einige Male unser Passagier gewesen zu sein. Er wird sich mit seinen Männern Montagnachmittag an Bord melden, Sie sollten ihn empfangen.«
»Jawohl, Herr Admiral. Wir werden das schon hinkriegen.«
Das war leichter gesagt als getan. Allerdings stand es Rheinberg kaum an, diese Details mit von Herringen zu diskutieren. Warum nicht zusammen mit der Saarbrücken ein Dampfer geschickt wurde, konnte er sich nicht erklären. 25 000 Goldmark. Da musste er besondere Vorsicht walten lassen.
»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte der Stationschef. »Sie werden in Portugal kohlen, die dortigen Behörden wissen Bescheid.
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