Die Ankunft
nach Kamerun nehmen.«
»Spricht sich schnell herum.«
Dr. Neumann grinste und zupfte an seiner wie üblich schief sitzenden Uniformjacke.
»Da wird dann das große Kotzen nicht lange auf sich warten lassen«, unkte er. »Das wird eine tolle Fahrt.«
»Du bekommst das schon hin. Wer hat sich sonst bereits gemeldet?«
»Klasewitz ist auf der Brücke.«
Johann Freiherr von Klasewitz, Korvettenkapitän wie Rheinberg – wenngleich mit etwas weniger Dienstjahren – und Zweiter Offizier, war exakt die Art von Person, mit der Rheinberg aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft immer Ärger gehabt hatte. Zweimal waren sie bereits heftig aneinandergeraten und es hatte einige Zeit gebraucht, bis der Adlige Rheinbergs Autorität – obschon mit sichtbarem Widerwillen – anerkannt hatte.
»Dann werden ich ihn wohl besser in Ruhe lassen«, meinte Rheinberg mit feinem Lächeln. »Sind die neuen Mannschaften an Bord?«
»Wie ich es mitbekommen habe, ja. Ich habe die Hälfte schon durch die Musterung.«
»Haben alle ihre Rollentafeln bekommen?«
»Gleich nach Einschiffung. Die Mannschaft muss sich natürlich erst eingewöhnen. Wir haben diesmal etwa zwanzig Prozent Neulinge. Ich schlage vor, dass wir recht bald mit dem Gefechtsdrill beginnen.«
Rheinberg sah auf seine Uhr.
»Ich möchte, dass ab Mittag normale Routine herrscht. Nach dem Mittagessen gibt es eine Musterung, die Freizeit ist bis ein Uhr begrenzt. Statt kleinem Dienst will ich divisionsweisen Lecksicherungsdrill bis zum Abendessen. Nach dem Abendessen möchte ich alle Divisionschefs in der Messe sprechen.«
»Es sind wohl noch nicht alle Chefs da«, gab Neumann zu bedenken. »Wir warten zudem auf einige Deckoffiziere und Unteroffiziere. Wir bekommen schließlich eine ganz neue Mannschaft. Soweit ich weiß, sollen die letzten Männer zusammen mit dem Kapitän ankommen, also übermorgen.«
»Der Drill findet trotzdem statt. Wo noch keine Divisionschefs da sind, übernehmen die Stellvertreter oder stellen wir erfahrene Bootsleute ab. Wenn Kapitänleutnant von Krautz an Bord kommt, will ich mich ihm gegenüber nicht für eine möglicherweise schlecht eingespielte Mannschaft verantworten müssen, ohne nicht zumindest etwas dagegen unternommen zu haben.«
»Reden Sie mit von Klasewitz darüber. Er wird sich freuen.«
Rheinberg seufzte. Dem Zweiten Offizier war nie ein Dr. Neumann begegnet. Der Freiherr war ein Leuteschinder und würde jeden Drill für erbarmungslose Bestrafungsaktionen nutzen, wenn man ihn nicht unter Kontrolle hielt. Rheinberg wollte das Gespräch mit dem Mann so lange wie möglich hinauszögern.
»Wir kohlen am Donnerstag, denn wir haben Befehl, am Sonntag auszulaufen. Viel Zeit bleibt uns also nicht«, fuhr er fort. »Die Unterbringung der Infanteristen ist mein größtes Problem. Wir müssen zusätzliche Plätze für die Hängematten schaffen. Es wird alles noch enger als ohnehin. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Frieden zwischen den Männern bleibt.«
»Das wird gehen, wenn wir gut vorankommen. Aber die Herbststürme stehen an. Es wäre besser gewesen, wenn wir schon vor zwei Monaten hätten aufbrechen können.«
Rheinberg zuckte mit den Schultern und klopfte auf das Bündel mit den Befehlen in seiner Brusttasche. »Es ist so, wie es ist.«
Neumann nickte. Er warf einen prüfenden Blick in den Himmel. Die Wolkendecke begann, an einigen Stellen aufzureißen. Zögerliche Sonnenstrahlen tanzten über das brackige Hafenwasser.
»Ein schöner Spätherbst wäre mir jetzt recht«, murmelte der Arzt.
»Mir auch. Wir sehen uns. Ist mein Bursche in Reichweite?«
»Er erwartet dich erst später, aber Moment …«
Neumann drehte sich um. »Oberbootsmann!«
Die massige, behäbig wirkende Gestalt, die sich die Leiter heruntergleiten ließ, war Rheinberg wohlbekannt. Oberbootsmann Harald Köhler war der dienstälteste Unteroffizier an Bord der Saarbrücken, genau fünfzig Jahre alt. Sein exakt gestutzter Bart war ebenso imposant wie der Rest der Erscheinung, der man das Alter nicht ansah. Köhler strotzte nicht nur vor Kraft, als Ältester der Unteroffiziere mit Portepee war er gleichzeitig der Sprecher aller Unteroffiziere und Mannschaften. Alle Beschwerden, alle Probleme gelangten im Regelfalle zuerst an sein Ohr. Die Tatsache, dass ihm tatsächlich freimütig vieles mitgeteilt wurde, sprach für den Respekt, den man ihm entgegenbrachte, ebenso wie für seine Beliebtheit. Rheinberg hatte in der kurzen Zeit, die er seinen neuen Posten innehatte, gelernt, sich
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