Die Ankunft
mehr Gewicht sich am Heck sammelte, desto mehr hob sich der Rammsporn aus dem Wasser, bis er über sacht über die Oberfläche glitt, in einem exakten, perfekten Winkel, bereit, den Bauch des Feindes aufzuschlitzen.
Aurelius warf Lucius einen Blick zu. Der Zenturio hatte bloß darauf gewartet. Er gab einen Befehl.
Die Bogenschützen, ein Dutzend der besten an Bord der Scipio, hoben ihre Bögen.
6
»Das glaube ich einfach nicht!«
Von Krautz starrte, zusammen mit Rheinberg neben dem Fischer stehend, fassungslos auf die See vor ihm, auf der sich ein Museumsstück auf die Saarbrücken zubewegte, deutlich immer schneller werdend, den Rammsporn leicht aus dem Wasser gehoben, mit der klaren, der unmissverständlichen Absicht, sie zu rammen.
Ein Holzschiff wollte einen gepanzerten Kleinen Kreuzer rammen!
Das war doch kompletter Wahnsinn! Das Schiff würde in der Mitte zerbersten, der Sporn würde, vom Rumpf der Saarbrücken abgewehrt, bestenfalls zersplittern, schlimmstenfalls nach hinten in die Galeere treiben und die ohnehin nicht sehr vertrauenerweckend aussehende Konstruktion dazu bringen, sich in sich selbst zusammenzufalten. Die Besatzung des Schiffes war erheblich, das Oberdeck des Angreifers voller Seeleute und …
»Legionäre!«, keuchte von Krautz, als könne er es jetzt erst fassen, als habe er den Worten des Fischers nie Glauben schenken können, als habe er es erst mit eigenen Augen sehen müssen.
»Herr Kapitän, wir müssen feuern!«
Von Krautz drehte sich zu Rheinberg um und sah ihn weiterhin mit Fassungslosigkeit in den Augen an.
»Feuern? Ein Schuss, und dieses Ruderboot sinkt oder geht in Flammen auf!«
»Es greift uns an«, erinnerte ihn sein Erster Offizier.
»Es ist ein Ruderboot!«, rief von Krautz fast entrüstet.
»Es ist ein Kriegsschiff. Eine Trireme. Das dort sind Soldaten. Wir müssen uns verteidigen!«
Der Kapitän warf die Hände hoch, wie in komischer Verzweiflung, und wandte sich sprachlos dem heranschnellenden Gegner zu, als wolle er ihn durch bloße Gestik zur Aufgabe seines sinnlosen Tuns bewegen. Rheinberg wusste nicht, ob von Krautz es ebenfalls gesehen hatte, doch als sich die zwölf muskulösen Männer über die Holzreling der Trireme beugten, die Bögen anlegten und mit der Selbstsicherheit jahrelanger Praxis und dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zielten und zwölf schlanke, schnelle Projektile die Sehnen verließen, wusste Rheinberg intuitiv bereits vor ihrem Eintreffen, wer das Ziel sein würde.
Er ließ sich gedankenschnell fallen, riss im Sturz den neben ihm stehenden Fischer mit zu Boden, griff zu den Beinen des Kapitäns und öffnete den Mund zu einem Warnruf.
Zu spät – zwei Pfeile wuchsen aus dem Brustkorb von Krautzens, lange, gefiederte Holzprojektile, und tränkten dessen dunkelblaue Uniformjacke rot, dunkelrot, und das in Windeseile.
Von Krautz sackte wortlos zu Boden, mit einer Hand den Schaft eines der Pfeile umklammernd, mit der anderen vergeblich nach Halt suchend. Im Fallen traf der Blick seiner Augen die Rheinbergs, weiterhin voller Unverständnis, dann brachen sie, noch vor seinem Aufprall.
Weitere Männer schrien, von Pfeilen getroffen. Eine zweite Salve fuhr über das Deck, in Gedankenschnelle abgefeuert. Jetzt begriffen die Deutschen die Gefahr und suchten Deckung. Zu spät für manche.
Zu spät für von Krautz.
Für einen Moment stand die Zeit still und nichts und niemand bewegte sich.
Rheinberg starrte auf den Leib von Krautzens, sich völlig sicher, wieso auch immer, dass der Kapitän der Saarbrücken tot war und nun er, Jan Rheinberg, das hatte, was er sich immer erträumt hatte, ein Kommando.
»Was für ein kalter Gedanke angesichts dieses plötzlichen Todes«, schoss es ihm durch den Kopf.
Ein Kommando, das angegriffen wurde.
Das war der Grund.
Und dann krachte die Trireme mit wütender Wucht in die Seite der Saarbrücken. Der Kreuzer erbebte leicht, ein sanftes Schwanken durchfuhr den Schiffsleib und zeitgleich ertönte das Knirschen zersplitternden Holzes. Überraschte, ja entsetzte Schreie erschollen von der Trireme, und als sich Rheinberg aufrichtete, sah er, wie eine der 10,5-cm-Schnellladekanonen an Steuerbord auf die bereits tödlich verwundete Galeere einschwenkte und einen einzelnen Schuss abgab.
Der Schuss zerfetzte das voller Seeleute stehende Heck der Trireme wie Papier. Holzsplitter flogen durch die Luft, drangen schmerzhaft auch in Rheinbergs Körper ein, der schützend sein Gesicht bedeckte. Schmerzensschreie, einige
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