Die Ankunft
ohrenbetäubend, ein Chaos aus Tönen, ein Stakkato des Schreckens erfüllte die Luft. Schüsse knallten, die Infanteristen aus Beckers Kompanie hatten angelegt und zielten auf die wenigen Römer, die sich am rasch sinkenden Wrack der Trireme festhielten.
»Feuer einstellen! Feuer einstellen!«, erklang schließlich die befehlsgewohnte Stimme Beckers und das Geknalle ebbte ab. Rheinberg erhob sich, wirbelte herum, ließ die Hand Marcus' fahren, die nach ihm tastete, und eilte zur Brücke. Blut lief ihm die Arme hinunter, wo ihn größere Holzsplitter erwischt hatten, doch er ignorierte den Schmerz. Atemlos stürzte er auf die Brücke.
»Der Kapitän – wo ist Neumann?«
»Unterwegs, unterwegs«, erwiderte Volkert, der auf der Brücke offenbar den Befehl an die Kanone gegeben hatte, die Trireme zu erlegen.
»Männer in die Boote! Bewaffnen! Ich will, dass alle Überlebenden aus dem Wasser gefischt werden!«
Der Fähnrich fragte nicht, er gab die Befehle sofort weiter. Ein Sanitätsmaat stürmte auf die Brücke, sah Rheinbergs blutdurchtränkte Uniform und öffnete seinen Koffer.
»Nicht jetzt, das sind nur Kratzer. Der Kapitän …«
»… ist tot.«
Das war die Stimme Neumanns. Er hatte die Treppen zur Brücke erklommen und man sah ihm an, dass es an dieser Aussage keinen Zweifel geben konnte. »Er war sofort tot. Ein Pfeil hat ihn direkt am Herzen erwischt. Sofort tot.«
Rheinberg starrte ihn an, musste einen furchtbaren Eindruck auf den Freund machen, wirkte verwirrt und erschöpft und überwältigt. Neumann wollte etwas sagen, doch Rheinberg unterbrach ihn.
»Wer noch? Verletzte? Tote?«
Neumann schüttelte den Kopf. »Wir hatten Glück im Unglück. Die meisten Männer haben sich entweder geduckt oder standen relativ geschützt.« Er seufzte. »Ein weiterer Toter. Dr. Sommer.«
Rheinberg seufzte tief auf. Er hatte den Bordgeistlichen, der zu den Neulingen an Bord gehört hatte, nur kurz kennengelernt und ihn als sehr schweigsamen, bescheidenen Mann eingeschätzt, der immer bereit gewesen war, erst zuzuhören, als sofort seine Meinung zu sagen – eine sehr angenehme Abwechslung im Vergleich zu einigen anderen Besatzungsmitgliedern. Er hatte ihn nicht gut genug gekannt, um mehr über ihn sagen zu können, spürte aber, dass er diesen Verlust noch einmal als sehr schmerzhaft empfinden würde – vor allem in dieser schwierigen Situation.
»Zwei Leichtverletzte durch Pfeile«, fuhr Neumann fort. »Der Rest hat niemanden getroffen. Zu einer zweiten Salve kamen die Schützen nicht, davor hat uns Volkerts schnelle Reaktion bewahrt.«
»Nein, die Schützen standen am Bug. Als die Trireme uns rammte, war es um die Männer geschehen. Wer Glück hatte, wurde ins Wasser geschleudert. Es hat lediglich von Krautz erwischt.« Rheinberg holte keuchend Luft, ignorierte den Schmerz an Armen und Beinen. »Es hat nur von Krautz erwischt.«
»Jan«, murmelte Neumann so leise, dass bloß dieser ihn hören konnte. »Nimm dich zusammen. Jetzt nicht schlappmachen. Denk dran: Wenn du nicht kommandierst, ist von Klasewitz der höchstrangige Offizier!«
Rheinberg wischte sich über die Stirn. Seine bereits blutverschmierten Hände hinterließen eine dreckig rote Spur auf der Haut. Natürlich. Mit dem Tode von Krautzens waren alle Brückenoffiziere eine Dienststellung nach oben gerutscht. Rheinberg war jetzt der Kapitän – und von Klasewitz Erster Offizier. Es konnte kaum noch schlimmer werden.
»Herr Kapitän!«
Volkerts feste Stimme riss Rheinberg hoch.
»Eine zweite Galeere, Herr Kapitän. Nähert sich mit … na ja, so schnell sie halt kann.«
Rheinberg ergriff das Fernglas, richtete es auf die zweite Trireme, die mit schnellem Schlag näher kam.
»Soll ich den Kanonieren …«
»Kein Schuss ohne meinen ausdrücklichen Befehl!«, bellte Rheinberg. Er war nach wie vor erschrocken, ja schockiert über die Wirkung, die ein einziger Schuss aus der kleinen Kanone gehabt hatte, und das, obgleich er selbst die Eröffnung des Feuers vorgeschlagen hatte.
Da, die Ruder gingen hoch, die Trireme drehte bei. Der Kapitän des Schiffes betrachtete jetzt sicher das Chaos, das die Saarbrücken mit seinem Schwesterschiff angerichtet hatte. Rheinberg an seiner Stelle würde …
»Sie drehen ab!«, meldete Volkert unnötigerweise. Alle sahen es. Die Ruder senkten sich ins Wasser. In schneller, ja verzweifelt wirkender Taktzahl drückten sie die zweite Galeere von der Saarbrücken fort. Ein kluger Mann, dieser Kapitän. Lieber daheim Bericht erstatten,
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