Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
Vom Netzwerk:
nur die Herkunft der Seeleute. Letztendlich waren sie alle Römer, der ehemalige Nubier Aurelius Africanus, obgleich er seine Herkunft im Namen trug, womöglich mehr als alle anderen.
Heute wurde wenig gerudert. Die Scipio hatte es nicht eilig.
Blickte Aurelius nach Backbord, konnte er in der Ferne, im feinen Dunst des Horizonts, die Ostküste Italiens erkennen. Normalerweise verließ keine Galeere freiwillig die schützende Nähe der Küste, lediglich das bemerkenswert ruhige Wetter des heutigen Tages hatte den Trierarch dazu bewogen, sich so weit herauszuwagen, dass die Küste bloß noch als feiner, dunkler Strich zu erahnen war. Näher, etwa eine Meile landwärts, erkannte man vage die Silhouette der Augustus, des Schwesterschiffes der Scipio, die heute mit ihr zusammen auf Patrouille war und deren Trierarch, Africanus' alter Freund Vicius Daker, nicht ganz so darauf erpicht schien, sich weiter als unbedingt nötig von der Küste zu entfernen. So imposant Schiffe wie die Scipio auch wirkten, sie waren eine Katastrophe bei unruhiger See, verkrafteten Brecher nur schwer und brachen bei starken Belastungen leicht in der Mitte auseinander.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden wusste Aurelius, wie man schwamm. Und er wusste, er konnte es von hier bis zur Küste schaffen, erst recht, wenn er sich an einem Stück Treibholz festhielt. Aber er forderte das Schicksal heute nicht heraus: Eine solche Flaute hatte er noch nie erlebt, das Wasser war spiegelglatt und wurde nur gekräuselt durch den langsamen, fast bedächtigen Schlag der Ruder, die die Scipio träge vorantrieben.
»Herr …«
Aurelius blickte gedankenverloren auf die ruhige See. Er hatte Lucius offenbar gar nicht gehört. Der Proreta warf einen hilflosen Blick quer über das lang gestreckte Deck der Scipio. Sepidus, der hinten an den Steuerrudern stand, zuckte mit den Achseln und machte eine charakteristische Bewegung mit dem rechten Bein. »Tritt ihm in den Arsch!«, wollte der Veteran damit sagen, doch Lucius wollte diesen Rat besser nicht wörtlich nehmen. Im Gegensatz zum alten Gubernator, der seine vierundzwanzig Dienstjahre auf See auf dem Buckel hatte, wollte der jüngere Lucius noch etwas werden, und wenn man das wollte, trat man den Trierarchen besser nicht.
»Herr!«
Der diesmal drängendere Ruf riss Aurelius aus seinen Gedanken.
»Ja – was ist?«
»Ein Schiff, seewärts, vielleicht zehn Meilen!«
Der Blick des Trierarchen folgte der ausgestreckten Hand des Proreta. Er kniff die Augen zusammen. Seewärts war es dunstiger als zur Küste hin, die Sicht war etwas schlechter, als habe sich erst kürzlich ein Nebel gelichtet. Das Wetter spielte heute verrückt.
Doch Lucius war vor allem deswegen so schnell zum Proreta der Scipio aufgestiegen, weil er bemerkenswert scharfe Augen hatte. Seine Aufgabe war es, vom Bug des Schiffes den Weg der Galeere zu beobachten und dem Ruderführer Hinweise zur Steuerung des Schiffes zu geben. Er irrte sich selten, und er irrte sich nie, wenn es seine Beobachtungsgabe betraf. Aurelius mochte ein frustrierter Trierarch sein, trotzdem wusste er ganz genau, warum er wen in seiner Mannschaft auf welchen Posten beförderte.
Aurelius' Augen waren nicht so gut wie die des Lucius, dennoch erkannte er mit etwas Konzentration den schwarzen Punkt.
»Was ist es?«
»Ein einzelnes Schiff. Aber groß. Eine Trireme – oder größer.«
»Ein Kornsegler?«
Die größten Schiffe, die die Welt kannte, waren die massiven Transporter, die das Korn von Afrika nach Italien brachten. Gegen diese Giganten wirkte selbst eine Quinquereme klein, und Quinqueremen waren beeindruckende Kriegsschiffe.
In Konstantinopel gab es welche, sagte man. Früher hatte es sie auch in Ravenna gegeben.
Aber ein Kornsegler so weit im Osten?
»Ich bin mir nicht sicher. Es bewegt sich langsam.«
»Was siehst du noch?«
»Es steigt Rauch zum Himmel.«
»Ein Feuer?«
Zwei Katastrophen konnten bei diesem ruhigen Wetter jene Schiffe befallen, die die schützende Nähe der Küsten verließen: An Bord konnte ein Feuer ausbrechen und das Schiff verzehren. Oder Piraten konnten es heimsuchen, plündern und in Brand setzen. Beides würde die Rauchfahne erklären, die Lucius erspäht hatte.
Aurelius raffte sich auf. Egal, was es war, es gab etwas zu tun. Er warf einen prüfenden Blick in den strahlend blauen, völlig wolkenlosen Himmel, wandte sich ab und eilte auf das Hinterdeck, wo Sepidus ihn bereits erwartungsvoll ansah.
»Herr?«
»Lass dir von Lucius Anweisung geben. Wir

Weitere Kostenlose Bücher