Die Ankunft
seinem Bewusstsein. Er raffte sich auf, erhob sich mit Neumanns Hilfe.
»Ich werde mich hinlegen. Sechs Stunden. In der Zwischenzeit gelten folgende Befehle.«
Er fasste von Klasewitz ins Auge, dessen Erleichterung darüber, dass er klare Anweisungen bekam, größer war als sein Unmut ob der Tatsache, dass diese von Rheinberg ausgesprochen wurden.
»Die Gefangenen werden gut versorgt. Der Leichnam des Kapitäns wird gesäubert und im Lazarett für die Beerdigung vorbereitet. Wir werden das gleich morgen beim Morgengrauen erledigen. Wir ändern den Kurs nach Osten, weg von der Küste, denn auf die offene See wird uns keine Galeere folgen. Langsame Fahrt, wir haben noch kein konkretes Ziel, wir müssen lediglich etwas Zeit gewinnen. Die Quartiermeister erstellen eine vollständige Liste aller Vorräte an Bord, inklusive all dessen, was die Infanterie mitgebracht hat. Wir müssen möglicherweise bald mehr rationieren, als uns gefällt. Nach der Beerdigung des Kapitäns gibt es eine Offiziersbesprechung, da legen wir unsere gemeinsame Strategie fest. Haben Sie alles verstanden?«
Mit betonter Deutlichkeit wiederholte von Klasewitz die Befehle. Er war sich der Gegenwart Beckers, Neumanns und Köhlers nur zu bewusst und Rheinberg war einigermaßen beruhigt, dass der neue Erste Offizier nicht auf eigenmächtige Gedanken kommen würde.
Zumindest jetzt noch nicht.
Schließlich ließ er sich von Neumann in seine Kabine bringen, entledigte sich der Uniformjacke und hockte sich auf den Rand seiner Koje. Neumann schwieg, half ihm, die Hose ebenfalls auszuziehen, und dann schwang er die Beine des Kapitäns auf das weiße Linnen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ Rheinberg seinen Oberkörper auf die dünne Matratze fallen und schaute auf die grauweiß gestrichene Decke über ihm.
»In sechs Stunden soll mich der Bursche wecken«, murmelte er.
»Ich werde es ihm sagen. Schlaf jetzt.« Und dann verschwand Neumann aus der Kabine, schloss die Tür hinter sich.
Rheinberg starrte noch Minuten an die Decke, wollte die wirbelnden Bilder der zertrümmerten Galeere, des sterbenden Kapitäns und der Erkenntnis, an der es keinen Zweifel geben konnte, aus seinen Gedanken verdrängen – doch ohne Erfolg.
Sie waren in der Vergangenheit. Fast 1500 Jahre waren sie durch die Zeit gereist, durch welche Laune der Natur auch immer.
Was, um Gottes willen, sollte er jetzt nur tun?
7
»Herr, Nannienus und Malobaudes bitten um Audienz!«
Flavius Gratianus, der Kaiser Westroms, sah von seinen Papieren auf. Es wurde bereits dunkel, und die Fackel und Öllampen verbreiteten ein unstetes Licht. Es schien tiefe Furchen in das Gesicht des Kaisers zu schlagen, und das, obwohl er erst neunzehn Jahre alt war. Drei Jahre lang war er jetzt Herr des westlichen Römischen Reiches, und drei Jahre lang war er nicht zur Ruhe gekommen. Wer ein großes Reich beherrschte, auf dessen Schultern lastete eine ebenso große Verantwortung, und die Tatsache, dass er sich nicht in Trier befand, sondern im Lager seiner Legionen bei Argentovaria, war ein Zeichen für die Art von Herausforderungen, mit denen er zu tun hatte.
Gratian seufzte. Nicht, dass er in Trier seine Ruhe gehabt hätte. Viele Kräfte zerrten an ihm. Die beständigen Einlassungen des Senators Symmachus zerrten an seiner Aufmerksamkeit ebenso wie jene des Bischofs Ambrosius, und es waren Zeiten wie diese, in denen sich der junge Mann den Rat seines alten Lehrers Ausonius gewünscht hätte, der bereits seinem Vater Valentinian zur Seite gestanden hatte. Doch Ausonius war Präfekt von Gallien und musste dem Kaiser den Rücken freihalten, damit dieser Krieg führen konnte. Zudem war da seine junge Frau Constantia, die er geheiratet hatte, als sie dreizehn war, und die ihm bis heute keinen Sohn geboren hatte. Allerdings, das musste der junge Kaiser eingestehen, war auch nicht viel Zeit gewesen, es zu versuchen. Constantia hatte Gefallen an dem rituellen Pomp und den Zeremonien des Hofes gefunden und begleitete ihren Mann nicht ins Feldlager, wo diese Dinge deutlich weniger wichtig waren. Und es gab immer einen Krieg zu führen.
Es war genau dieser Krieg, der die beiden Männer nun zu ihm führte, die, hereingeleitet von Gratians Leibdiener Elevius, das große Feldherrnzelt betraten. Ihre metallenen Brustpanzer, peinlichst ordentlich poliert, warfen das flackernde Licht der Fackeln zurück. Gratian erhob sich, legte die Schreibfeder zur Seite und bedeutete den beiden Männern, sich um einen Tisch zu
Weitere Kostenlose Bücher