Die Ankunft
Kavallerie und leicht bewaffneter Infanterie. Alles in allem kommen wir auf ziemlich genau 32 000 Mann.«
Gratian rutschte auf seinem Schemel hin und her. Militärische Entscheidungen machten ihn unruhig. Nein, verbesserte er sich sogleich: Von den Erfahrungen alter Generäle abhängig zu sein, das machte ihn nervös. Es gab Momente, in dem die geringe Zahl seiner Jahre mehr Last als Lust bedeutete.
»Das wird genügen?«
»Wenn Priarius der Narr ist, der er ist, wird er uns ins offene Messer laufen«, erwiderte Nannienus zuversichtlich.
»Wie sieht es bei unseren Feinden nun derzeit aus?«, hakte Gratian nach. Mit dieser Frage bewegte er sich wieder auf ein vertrautes Gebiet vor: das der Politik.
»Die Überläufer berichten, dass die Adligen dem König derzeit noch folgen – wenngleich ihm die letzte Niederlage nicht gut bekommen ist. Eine weitere, und sie werden ihm davonlaufen und wir können uns einzeln mit ihnen befassen«, meinte Malobaudes.
»Vielmehr die Grenzgarnisonen«, ergänzte sein Kamerad. »Es wird kein direktes Eingreifen Eurer Person mehr notwendig sein.«
Die Alemannen kannten wie die Goten noch keine so fest gefügten Staatssysteme wie die Römer, und ihre Loyalitäten und Autoritäten waren oft nur schwer durchschaubar. Sehr viel hing mit Prestige zusammen, vieles mit Bestechung und der Aussicht auf Beute, manches mit ständigen Intrigen, hin und wieder auch alles mit Mord.
Nicht, dass die Alemannen sich in letzteren Punkten so grundlegend von den Römern unterscheiden würden, dachte Gratian bitter. Dennoch, Rom funktionierte besser, und diesen Vorteil gedachte der Kaiser zu nutzen, solange es ihm möglich war.
»Ihr seid also zuversichtlich?«
Die Generäle nickten unisono. »Herr, der Sieg wird unser sein, wenn Priarius nicht noch plötzlich von Vernunft und taktischem Verständnis überrumpelt wird«, ergänzte Malobaudes. »Unsere Truppen sind gut ausgerüstet, gestärkt und diszipliniert.«
»Wir haben Alemannen unter unseren Männern«, stellte Gratian fest.
»Und es werden eher mehr als weniger, denn die Zahl der Überläufer erhöht sich mit jeder Stunde. Das ist ein Problem für die Lentienser, weniger für uns. Unter den Überläufern sind sicher auch ein paar Spione, aber die werden nichts herausfinden, was Priarius nicht bereits weiß. Er kennt unsere Stellungen und unsere Stärke, alle Grenzvölker wissen ziemlich genau über die römischen Garnisonen bereit. Das Problem des Priarius ist nicht, dass er nicht ahnt, wem er gegenübersteht, sein Problem ist, dass er ein tollkühner Haudrauf ist, ohne Zweifel von großer Tapferkeit, jedoch kein General.«
Gratian senkte den Kopf, spielte für einen Moment mit dem Weinkrug in seiner Hand.
»Hat er einen General?«
»Er hätte Kandidaten. Er hört allerdings nicht auf sie. Er benötigt das Prestige, den Kampf selbst zu führen, will er einen Sieg in Macht ummünzen. Gibt er das Kommando einem Unterführer oder hört er zu sehr auf den Rat jener Veteranen, die es besser wissen, wird er einen Sieg teilen müssen. Bei den Alemannen bedeutet das, dass sich das interne Gefüge der Macht verschieben könnte. Das will Priarius auf jeden Fall vermeiden. Also macht er es so, wie er es will.«
Malobaudes sah sehr zufrieden aus. »Besser hätte es gar nicht kommen können.«
»Nun dann!«
Der Kaiser erhob sich, streckte die Muskeln, in denen die Müdigkeit eines langen Tages und des unentwegten Lagerlebens steckte.
»Bleibt nur noch die letzte Frage: Greifen wir an oder warten wir auf den Angriff ?«
»Ich plädiere dafür, Priarius bei Morgengrauen die Schlacht anzubieten«, meinte nun Nannienus. »Er wird sie uns möglicherweise einmal ausschlagen, vielleicht zweimal, aber dann werden seine Leute unruhig werden.«
»Dazu kommt, dass er auf einer Anhöhe lagert«, ergänzte sein Kamerad. »Er wird dies als Vorteil ansehen und das Angebot nicht ausschlagen können.«
»Ist es ein Vorteil?«, hakte Gratian nach.
»Nur scheinbar. Es wird dem wilden Angriff der Krieger mehr Schwung verleihen. Und es wird ihnen schwerer fallen, zu fliehen, wenn sie merken, dass sie sich an uns die Zähne ausbeißen. Wenn die ersten Wellen brechen und sie zu fliehen beginnen, werden sie gegen die schwungvoll heranstürmenden zweiten Wellen anrennen. Ein prächtiges Chaos!« Malobaudes strahlte förmlich vor Erwartung und auch Gratian konnte sich angesichts dieser lebhaften Schilderung ein Lächeln kaum verkneifen.
Nannienus nickte lediglich. Sein Kamerad hatte alles
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